Königreich Preußen 1819: Unterschied zwischen den Versionen
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Die im August von Vertretern der einflussreichsten Staaten im Deutschen Bund erarbeiteten "Karlsbader Beschlüsse" werden dem Bundestag in Frankfurt am Main vorgelegt und in einem - nach Thomas Nipperdey - "mehr als fragwürdigen Eilverfahren" einstimmig bestätigt. Mit vier Gesetzen, der Exekutionsordnung, dem Universitätsgesetz, dem Preßgesetz (Pressegesetz) und dem Untersuchungsgesetz, bewirken sie das Verbot der öffentlichen schriftlichen Meinungsfreiheit und der Burschenschaften, die Überwachung der Universitäten, die Schließung der Turnplätze, die Zensur der Presse und Entlassung und Berufsverbot für liberal und national gesinnte Professoren, die ihre Einstellung ihren Schülern vermittelten. Insbesondere das Pressegesetz soll die Verbreitung von Konzepten, Ideen und Gedanken, die als aufrührerisch gelten, zumindest behindern. Die zentrale Reglementierung sieht vor, dass alle Veröffentlichungen unter 20 Bogen (320 Seiten) einer Vorzensur unterliegen; umfangreichere Schriften müssen sich einer Nachzensur unterziehen. Da es keine bundesrechtliche Pflicht zur gliedstaatlichen Veröffentlichung des Gesetzestextes gibt, wird das Gesetz in einigen Gliedstaaten nicht veröffentlicht werden und somit formal in diesen nicht in Kraft treten. Die "Karlsbader Beschlüsse" greifen nicht nur in die Rechte der Gliedstaaten ein, sondern auch in die unabhängige Akademische Gerichtsbarkeit, die teilweise seit Jahrhunderten besteht. Der Umsetzung der "Karlsbader Beschlüsse" dient die Mainzer Zentraluntersuchungskommission. Eine wesentliche Qualität der Beschlüsse besteht darin, dass der reaktionäre Deutsche Bund liberale und nationale Ideen als Volksverhetzung begreift und die Träger dieser Ideen als Demagogen verfolgt. Diese Demagogenverfolgung findet besonders intensiv im Königreich Preußen und im Kurfürstentum Hessen statt. Betroffen durch Verfolgung und Inhaftierung waren beispielsweise Ernst Moritz Arndt, Karl Marx, Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Hans Ferdinand Maßmann, Franz Lieber, Christian Sartorius, Georg Büchner, Fritz Reuter, Friedrich Ludwig Jahn, Karl Theodor Welcker und Friedrich Gottlieb Welcker, aber auch der im dänischen Schleswig-Holstein lebende Uwe Jens Lornsen. E. T. A. Hoffmann, der als Kammergerichtsrat selbst in der preußischen Immediat-Kommission zur Ermittlung hochverräterischer Verbindungen und anderer gefährlicher Umtriebe sitzt, stellt die Vorgangsweise der Behörden in seiner Erzählung Meister Floh satirisch dar. Er provoziert dadurch selbst Schwierigkeiten mit der Zensur und der Disziplinarbehörde. Nach den Karlsbader Beschlüssen schwindet von Hardenbergs Einfluss allmählich; er entwirft eine landständische Verfassung für Preußen, die allerdings nicht umgesetzt wird. <br> | Die im August von Vertretern der einflussreichsten Staaten im Deutschen Bund erarbeiteten "Karlsbader Beschlüsse" werden dem Bundestag in Frankfurt am Main vorgelegt und in einem - nach Thomas Nipperdey - "mehr als fragwürdigen Eilverfahren" einstimmig bestätigt. Mit vier Gesetzen, der Exekutionsordnung, dem Universitätsgesetz, dem Preßgesetz (Pressegesetz) und dem Untersuchungsgesetz, bewirken sie das Verbot der öffentlichen schriftlichen Meinungsfreiheit und der Burschenschaften, die Überwachung der Universitäten, die Schließung der Turnplätze, die Zensur der Presse und Entlassung und Berufsverbot für liberal und national gesinnte Professoren, die ihre Einstellung ihren Schülern vermittelten. Insbesondere das Pressegesetz soll die Verbreitung von Konzepten, Ideen und Gedanken, die als aufrührerisch gelten, zumindest behindern. Die zentrale Reglementierung sieht vor, dass alle Veröffentlichungen unter 20 Bogen (320 Seiten) einer Vorzensur unterliegen; umfangreichere Schriften müssen sich einer Nachzensur unterziehen. Da es keine bundesrechtliche Pflicht zur gliedstaatlichen Veröffentlichung des Gesetzestextes gibt, wird das Gesetz in einigen Gliedstaaten nicht veröffentlicht werden und somit formal in diesen nicht in Kraft treten. Die "Karlsbader Beschlüsse" greifen nicht nur in die Rechte der Gliedstaaten ein, sondern auch in die unabhängige Akademische Gerichtsbarkeit, die teilweise seit Jahrhunderten besteht. Der Umsetzung der "Karlsbader Beschlüsse" dient die Mainzer Zentraluntersuchungskommission. Eine wesentliche Qualität der Beschlüsse besteht darin, dass der reaktionäre Deutsche Bund liberale und nationale Ideen als Volksverhetzung begreift und die Träger dieser Ideen als Demagogen verfolgt. Diese Demagogenverfolgung findet besonders intensiv im Königreich Preußen und im Kurfürstentum Hessen statt. Betroffen durch Verfolgung und Inhaftierung waren beispielsweise Ernst Moritz Arndt, Karl Marx, Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Hans Ferdinand Maßmann, Franz Lieber, Christian Sartorius, Georg Büchner, Fritz Reuter, Friedrich Ludwig Jahn, Karl Theodor Welcker und Friedrich Gottlieb Welcker, aber auch der im dänischen Schleswig-Holstein lebende Uwe Jens Lornsen. E. T. A. Hoffmann, der als Kammergerichtsrat selbst in der preußischen Immediat-Kommission zur Ermittlung hochverräterischer Verbindungen und anderer gefährlicher Umtriebe sitzt, stellt die Vorgangsweise der Behörden in seiner Erzählung Meister Floh satirisch dar. Er provoziert dadurch selbst Schwierigkeiten mit der Zensur und der Disziplinarbehörde. Nach den Karlsbader Beschlüssen schwindet von Hardenbergs Einfluss allmählich; er entwirft eine landständische Verfassung für Preußen, die allerdings nicht umgesetzt wird. <br> | ||
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− | Das preußische Kabinett von Karl August Fürst von Hardenberg wird "rückgebildet". Zum Schmerz seiner Gesinnungsgenossen in Regierung und Armee tritt der Geheime Staats- und Kriegsminister und Generalleutnant Hermann von Boyen von allen Ämtern zurück und wird mit 48 Jahren Privatier. Er plant, mehrere zeitgeschichtliche Betrachtungen zu veröffentlichen. Sein Nachfolger im Amt des Kriegsministers wird sein Vorgänger Karl Georg Albrecht Ernst von Hake. | + | Das preußische Kabinett von Karl August Fürst von Hardenberg wird "rückgebildet". Zum Schmerz seiner Gesinnungsgenossen in Regierung und Armee tritt der Geheime Staats- und Kriegsminister und Generalleutnant Hermann von Boyen von allen Ämtern zurück und wird mit 48 Jahren Privatier. Er plant, mehrere zeitgeschichtliche Betrachtungen zu veröffentlichen. Sein Nachfolger im Amt des Kriegsministers wird sein Vorgänger Karl Georg Albrecht Ernst von Hake. Von Boyen war 5 Jahre 6 Monate und 25 Tageim Amt. <br> |
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+ | | style="color:blue;background-color:#eeffcc | <center> '''[[Chronik 12.1819|31.12.1819]]''' <br> [[Datei:Preußen 1818-1823.jpg|50px]] </center> || style="color:blue;background-color:#eeffcc | '''[[Königreich Preußen 1819|Königreich Preußen]]''' <br> | ||
+ | Das energische Eintreten Wilhelm von Humboldts gegen polizeiliche Willkürmaßnahmen im Zuge von „Demagogen“-Verfolgungen führt auf von Hardenbergs Betreiben zu seiner Entlassung, die er trotz Verzicht auf Pensionsansprüche gelassen hinnimmt. So erhält der frühere Staatsminister des Innern Friedrich von Schuckmann von seinem Nachfolger Wilhelm Freiherr von Humboldt sein Amt zurück. Außerdem scheidet der Staatsminister für Revision der Gesetze und die Justizorganisation der neuen Provinzen Karl Friedrich von Beyme nach rund zwei Jahren aus seinem Amt aus, da seine Arbeit abgeschlossen ist. Von Humboldt war mehr als elf Monate im Amt. <br> | ||
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Version vom 16. Mai 2018, 17:16 Uhr
KÖNIGREICH PREUSSEN
CHRONIK DES JAHRES 1819
Hauptstadt: Berlin
Hauptseite | (nach Geburtsjahr geordnet) | ||||
Jahres-Chroniken | |||||
Länderchroniken | |||||
Biografien |
frühere Chroniken Deutschlands | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
frühere Chroniken Preußens | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Chronik des Königreiches Preußen des Jahres ... 1809 - 1810 - 1811 - 1812 - 1813 - 1814 - 1815 - 1816 - 1817 - 1818 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Königreich Preußen
Die gesamte Dienstzeit von Karl August von Hardenberg in der Regierung des Königreiches Preußen beträgt bislang 23 Jahre, 10 Monate und 20 Tage. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Deutscher Bund / Königreich Preußen Der ehemalige Gouvernementskommissar im Bereich der Verpflegung der Nordarmee und studierte Jurist und Mediziner Adelberdt von der Recke-Volmerstein, der sich seit drei Jahren einiger heimatlosen Kinder im Gebiet von Bochum angenommen hat, begründet gemeinsam mit seinem Bruder Werner in der Nähe des väterlichen Gutes Overdyck ein "Rettungshaus", "welche nach Jahresfrist bereits 44 Pfleglinge (in der Regel Waisenkinder) zählt Hierfür erwerben die Brüder eine ehemalige Schule. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Königreich Preußen Das preußische Kabinett von Karl August Fürst von Hardenberg wird umgebildet. Der Staatsminister des Innern Friedrich von Schuckmann wird durch Wilhelm Freiherr von Humboldt ersetzt. Von Schuckmann war 4 Jahre 6 Monate und 11 Tage im Amt.
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Deutscher Bund / Kaisertum Österreich / Königreich Preußen / Großherzogtum Hessen und bei Rhein In Karlsbad beginnt eine Reihe Ministerialkonferenzen von Vertretern der einflussreichsten Staaten im Deutschen Bund, die bis zum 31. August andauern sollen. Die Konferenzen sollen über Maßnahmen zur Überwachung und Bekämpfung liberaler und nationaler Tendenzen im nach-napoleonischen Deutschland beraten. Karlsbad gehört zum Kaisertum Österreich und ist als Kurort gut geeignet, das geheime Treffen als eher zufällige private Zusammenkunft von Diplomaten und Ministern darzustellen und so vor den Augen der Öffentlichkeit zu verbergen. Die Beschlüsse entstehen unter der Ägide des österreichischen Staats- und Außenministers Klemens Wenzel Lothar von Metternich. Grundlage der Beschlüsse ist die am 1. August 1819 in der nordböhmischen Stadt Teplitz vereinbarte "Teplitzer Punktation" zwischen dem Kaisertum Österreich und dem Königreich Preußen. Anlass für die erwarteten "Karlsbader Beschlüsse" ist die an verschiedenen deutschen Höfen vorherrschende Revolutionsangst. Auslöser und Rechtfertigung ist die Ermordung des Schriftstellers und russischen Generalkonsuls August von Kotzebue am 23. März 1819 durch Karl Ludwig Sand, eines Theologiestudenten und Erlanger und Jenaer Burschenschafters. Unmittelbarer Auslöser sind jedoch die Hep-Hep-Unruhen vom 2. August, bei denen es erstmals seit dem Mittelalter zu überregionalen antijudaistischen Gewaltausbrüchen gekommen ist. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Deutscher Bund / Kaisertum Österreich / Königreich Preußen / Großherzogtum Hessen und bei Rhein Nach drei Wochen gehen die Ministerialkonferenzen von Vertretern der einflussreichsten Staaten des Deutschen Bundes zu Ende. Die so genannten "Karlsbader Beschlüsse" sollen am 20. September dem Bundestag in Frankfurt am Main zur Bestätigung vorgelegt werden. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Deutscher Bund / Kaisertum Österreich / Königreich Preußen / Großherzogtum Hessen und bei Rhein Die im August von Vertretern der einflussreichsten Staaten im Deutschen Bund erarbeiteten "Karlsbader Beschlüsse" werden dem Bundestag in Frankfurt am Main vorgelegt und in einem - nach Thomas Nipperdey - "mehr als fragwürdigen Eilverfahren" einstimmig bestätigt. Mit vier Gesetzen, der Exekutionsordnung, dem Universitätsgesetz, dem Preßgesetz (Pressegesetz) und dem Untersuchungsgesetz, bewirken sie das Verbot der öffentlichen schriftlichen Meinungsfreiheit und der Burschenschaften, die Überwachung der Universitäten, die Schließung der Turnplätze, die Zensur der Presse und Entlassung und Berufsverbot für liberal und national gesinnte Professoren, die ihre Einstellung ihren Schülern vermittelten. Insbesondere das Pressegesetz soll die Verbreitung von Konzepten, Ideen und Gedanken, die als aufrührerisch gelten, zumindest behindern. Die zentrale Reglementierung sieht vor, dass alle Veröffentlichungen unter 20 Bogen (320 Seiten) einer Vorzensur unterliegen; umfangreichere Schriften müssen sich einer Nachzensur unterziehen. Da es keine bundesrechtliche Pflicht zur gliedstaatlichen Veröffentlichung des Gesetzestextes gibt, wird das Gesetz in einigen Gliedstaaten nicht veröffentlicht werden und somit formal in diesen nicht in Kraft treten. Die "Karlsbader Beschlüsse" greifen nicht nur in die Rechte der Gliedstaaten ein, sondern auch in die unabhängige Akademische Gerichtsbarkeit, die teilweise seit Jahrhunderten besteht. Der Umsetzung der "Karlsbader Beschlüsse" dient die Mainzer Zentraluntersuchungskommission. Eine wesentliche Qualität der Beschlüsse besteht darin, dass der reaktionäre Deutsche Bund liberale und nationale Ideen als Volksverhetzung begreift und die Träger dieser Ideen als Demagogen verfolgt. Diese Demagogenverfolgung findet besonders intensiv im Königreich Preußen und im Kurfürstentum Hessen statt. Betroffen durch Verfolgung und Inhaftierung waren beispielsweise Ernst Moritz Arndt, Karl Marx, Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Hans Ferdinand Maßmann, Franz Lieber, Christian Sartorius, Georg Büchner, Fritz Reuter, Friedrich Ludwig Jahn, Karl Theodor Welcker und Friedrich Gottlieb Welcker, aber auch der im dänischen Schleswig-Holstein lebende Uwe Jens Lornsen. E. T. A. Hoffmann, der als Kammergerichtsrat selbst in der preußischen Immediat-Kommission zur Ermittlung hochverräterischer Verbindungen und anderer gefährlicher Umtriebe sitzt, stellt die Vorgangsweise der Behörden in seiner Erzählung Meister Floh satirisch dar. Er provoziert dadurch selbst Schwierigkeiten mit der Zensur und der Disziplinarbehörde. Nach den Karlsbader Beschlüssen schwindet von Hardenbergs Einfluss allmählich; er entwirft eine landständische Verfassung für Preußen, die allerdings nicht umgesetzt wird. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Königreich Preußen Das preußische Kabinett von Karl August Fürst von Hardenberg wird "rückgebildet". Zum Schmerz seiner Gesinnungsgenossen in Regierung und Armee tritt der Geheime Staats- und Kriegsminister und Generalleutnant Hermann von Boyen von allen Ämtern zurück und wird mit 48 Jahren Privatier. Er plant, mehrere zeitgeschichtliche Betrachtungen zu veröffentlichen. Sein Nachfolger im Amt des Kriegsministers wird sein Vorgänger Karl Georg Albrecht Ernst von Hake. Von Boyen war 5 Jahre 6 Monate und 25 Tageim Amt.
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Königreich Preußen Das energische Eintreten Wilhelm von Humboldts gegen polizeiliche Willkürmaßnahmen im Zuge von „Demagogen“-Verfolgungen führt auf von Hardenbergs Betreiben zu seiner Entlassung, die er trotz Verzicht auf Pensionsansprüche gelassen hinnimmt. So erhält der frühere Staatsminister des Innern Friedrich von Schuckmann von seinem Nachfolger Wilhelm Freiherr von Humboldt sein Amt zurück. Außerdem scheidet der Staatsminister für Revision der Gesetze und die Justizorganisation der neuen Provinzen Karl Friedrich von Beyme nach rund zwei Jahren aus seinem Amt aus, da seine Arbeit abgeschlossen ist. Von Humboldt war mehr als elf Monate im Amt.
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Königreich Preußen
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