Wilhelm von Humboldt
FRIEDRICH WILHELM CHRISTIAN CARL FERDINAND VON HUMBOLDT
* 22. Juni 1767 in Potsdam , † 8. April 1835 in Tegel
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22.06.1767 - Wilhelm von Humboldt wird in Potsdam geboren. In der väterlichen Linie ist er Sprössling pommerscher Vorfahren aus dem Bürgertum. Ihr Großvater Hans Paul Humboldt wurde Kapitän im preußischen Militär und wegen seiner Verdienste 1738 auf eigenes Ersuchen in den Adelsstand erhoben. Dessen Sohn Alexander Georg von Humboldt (* 1720) wurde nach seinem Ausscheiden aus dem Heeresdienst auf Geheiß Friedrichs des Großen Kammerherr bei der Gemahlin des Thronfolgers bis zum Scheitern dieser Ehe 1769. Bereits 1766 hatte Alexander Georg die vermögende Witwe hugenottischer Herkunft Elisabeth von Holwede, geb. Colomb, geheiratet und war durch sie in den Besitz von Schloss Tegel gelangt. An der Ausbildung der Söhne Wilhelm und Alexander auf dem Tegeler Gut – winters in der Berliner Stadtwohnung, da das Schloss nur schwer beheizbar ist – wird nicht gespart.
1777 - Als Hauslehrer engagieren die Eltern der Humboldt-Brüder unter anderen renommierte Persönlichkeiten wie Joachim Heinrich Campe und Johann Jacob Engel, ab 1777 für mehr als zehn Jahre Gottlob Johann Christian Kunth, der den Erziehungsplan koordiniert und den Unterricht der verschiedenen Fachlehrer beaufsichtigt. Kunth erwirbt sich auch hinsichtlich der Gutsverwaltung eine Vertrauensstellung bei den Humboldts.
1779 - Gottlob Johann Christian Kunth, der Hauslehrer der Humboldt-Brüder, wird nach dem Tod des Vaters von Wilhelm und Alexander zum unentbehrlichen Berater der erneut verwitweten Frau von Humboldt und später auch zum Vermögensverwalter seiner Schützlinge.
1780 - Schon als 13jähriger spricht Wilhelm von Humboldt Griechisch, Latein und Französisch und ist mit wichtigen Autoren der jeweiligen Literatur vertraut. Sein enormer Studienfleiß weckte nicht selten Besorgnis bei ihm Nahestehenden.
1785 - Die Humboldt-Brüder verkehren in Kreisen der Berliner Aufklärung. In Vorbereitung auf die Universitätsstudien nehmen die Brüder auf Vermittlung ihres Lehrers Kunth an Privatvorlesungen beispielsweise in Nationalökonomie und Statistik, Naturrecht und Philosophie teil. Im Zusammenhang damit gelangen sie auch in das Haus des vielseitig interessierten Arztes Marcus Herz, der als Anhänger Immanuel Kants philosophische und physikalische Vorlesungen hielt, sowie in den Salon seiner Frau Henriette Herz, zu der Wilhelm zeitweise eine schwärmerische Zuneigung fass. Dort lernen die Brüder unter anderem Moses Mendelssohn kennen, studieren gemeinsam die Schriften Kants und diskutieren über die Frage: Was ist Aufklärung?
1786 - In den folgenden Jahren erhalten die Humboldt-Brüder Privatunterricht von Christian Wilhelm von Dohm über den Welthandel. Wilhelm lernt von Ernst Ferdinand Klein die Grundzüge des Naturrechts und bei Johann Jakob Engel Begriffs- und Urteilslogik. Auch in die Schriften von John Locke und David Hume wird er von Engel eingeführt. Als Mitglied in ihrem „Bund der Freunde“, einem von vielen existierenden Tugendbünden, zu dem sowohl eine Satzung als auch eine Geheimschrift gehört, kommt Wilhelm späterhin in Kontakt mit Caroline von Dacheröden, die dem Bund als auswärtiges Mitglied gleichfalls angehört.
Frühjahr 1788 - Das Ziel der anspruchsvollen Ausbildung ihrer Söhne liegt für die Mutter der Humboldt-Brüder darin, sie für einflussreiche Staatsämter zu qualifizieren. Wilhelm ist für ein Studium der Rechtswissenschaften vorgesehen, Alexander für Staatswirtschaftslehre, die als Kameralia firmieren. Noch unter der Obhut ihres Lehrers Kunth beginnen die Brüder ihr jeweiliges Studium an der Brandenburgischen Universität Frankfurt, die Wilhelm aber nach einem Semester verlässt, um sich nun an der Georg-August-Universität Göttingen zu immatrikulieren.
1788 - In Göttingen löst sich der Student Wilhelm von Humboldt aus den von der Mutter vorgegebenen Bahnen und folgt von nun an eigenen Impulsen, Interessen und Einsichten. Im Studium widmet er sich weniger der Jurisprudenz und mehr der Philosophie, der Geschichte und den alten Sprachen. Dabei besucht er auch Veranstaltungen von Kapazitäten wie dem Experimentalphysiker Lichtenberg und dem klassischen Philologen Heyne. Zudem befasste er sich unter anderem mit Naturgeschichte und setzte sich intensiv mit Kants Schriften auseinander. In diesem Jahr lernt er auch Caroline von Dacheröden persönlich kennen.
Ende 1788 - Von seinem Studienort Göttingen aus unternimmt Wilhelm von Humboldt eine Reise über Kassel, Marburg und Gießen in die Rhein/Main-Gegend, bei der er unter anderem einige Tage in Mainz mit dem Weltumsegler Georg Forster und seiner Frau Therese verbringt und auf Gut Pempelfort mit dem streitbaren sensualistischen Philosophen Friedrich Heinrich Jacobi in eine anhaltende Verbindung tritt.
03.08.1789 - Wilhelm von Humboldt reist mit seinem vormaligen Lehrer Campe in das revolutionäre Paris.
04.08.1789 - Wilhelm von Humboldt erlebt die Abschaffung des Feudalsystems in Frankreich per Dekret der Verfassunggebenden Nationalversammlung. Er besucht sowohl eine Sitzung der neuen Volksvertretung als auch die kürzlich vom Volk gestürmte Bastille, wobei er sich anders als der von der Revolutionsbegeisterung mitgerissene Campe eher als nüchterner Beobachter gibt. Jenseits des Revolutionsgeschehens interessiert er sich einerseits für Kunst und Architektur, andererseits auch für Spitäler, Gefängnisse und für die Lage der Pariser Waisenkinder, die er in einem Findelhaus aufsucht. In seinen Notizen heißt es: Alle Laster entspringen beinah aus dem Mißverhältnis der Armut gegen den Reichtum. In einem Lande, worin durchaus ein allgemeiner Wohlstand herrschte, würde es wenig oder gar keine Verbrechen geben. Darum ist kein Teil der Staatsverwaltung so wichtig als der, welcher für die physischen Bedürfnisse der Untertanen sorgt.
Ende August 1789 - Wilhelm von Humboldt und sein früherer Lehrer Campe verlassen Paris und setzen ihre Reise noch bis November mit einem längeren Aufenthalt in der Schweiz fort. Als Folge seiner Reiseerfahrungen kann ein Bedürfnis nach regelmäßigem Wechsel seiner äußeren Umwelt angenommen werden, nach Wohnortwechseln über Ländergrenzen hinweg. Humboldt selbst äußert später: Der Grundsatz, dass man in vielen Lagen aller Art gewesen sein müsse, ist so fest in mir, dass mir jede, in der ich noch nicht war, schon darum angenehm ist.
Weihnachten 1789 - Wilhelm von Humboldt hält sich mit seiner Verlobten Caroline von Dacheröden in Weimar auf und hat dort erste Begegnungen mit Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe.
Anfang 1790 - Wilhelm von Humboldt tritt nach Beendigung des viersemestrigen Studiums in den Staatsdienst und erhält eine Anstellung im Justizdepartement, wo er für die Richterlaufbahn ausgebildet werden soll, zugleich aber die Zusatzqualifikation für den diplomatischen Dienst erwirbt.
Mai 1791 - Wilhelm von Humboldt sucht mit Hinweis auf Familienumstände um seine Entlassung nach, sei es, dass ihm die Ausübung des Richteramts unter dem Eindruck gegenaufklärerischer Tendenzen im preußischen Staatswesen zuwider ist, sei es, dass seine anderweitig entwickelten Neigungen den Ausschlag geben oder dass er die Anstellung nur betrieben hat, um vor seiner Mutter und vor seinem Schwiegervater in spe, dem Kammerpräsidenten von Dacheröden, zu bestehen.
29.06.1791 - Wilhelm von Humboldt heiratet in Erfurt Caroline von Dacheröden (* 23.02.1766 in Minden), die Tochter des preußischen Kammerpräsidenten Karl Friedrich von Dacheröden und seiner Frau Ernestine Friderike Gräfin von Hopfgarten. Mit ihrem überlieferten Briefwechsel, für den ein von beiden Eheleuten gepflegter Ton wechselseitiger Idealisierung bezeichnend ist, schaffen Caroline und Wilhelm von Humboldt ein Orientierungsmuster des Geschlechterverhältnisses für das deutsche Bürgertum im 19. und noch im 20. Jahrhundert. Dabei werden beide eine „offene Ehe“ führen. Humboldts Konzept der optimalen individuellen Entfaltung schließt den Anspruch ein, die eigene Sexualität mit wechselnden Partnerinnen auch aus dem käuflichen Milieu ausleben zu können. Bekannt wird später sein Verhältnis mit Johanna Motherby, Gattin des Arztes William Motherby, in Königsberg. Carolines mehrjähriger Hausfreund in Jena und auf Reisen wird Wilhelm von Burgsdorff (* 1772). Während der nächsten zweieinhalb Jahre wird das junge Paar auf den Dacherödenschen Gütern in Thüringen leben, wo Humboldt nun mit Caroline seine Studien der altgriechischen Sprache, Kultur, Kunst und Philosophie fortsetzt und in regem Gedankenaustausch mit dem Hallenser Altphilologen Friedrich August Wolf vertieft. Die Beschäftigung mit der Antike dient ihm zu dem Zweck „der philosophischen Kenntnis des Menschen überhaupt“. Den griechischen Geist begreift er „als Ideal desselben, was wir selbst sein und hervorbringen möchten“.
1793 - Wilhelm von Humboldt veröffentlicht die Schrift Über das Studium des Altertums und des Griechischen insbesondere, die seinen betonten Philhellenismus zeigt, gegen dessen Alleingültigkeitsanspruch selbst Schiller Vorbehalte hat.
Februar 1794 - Mit seiner für die geistesgeschichtliche Epoche des Neuhumanismus charakteristischen Hochschätzung des antiken Griechentums und mit seiner weitreichenden Kenntnis zeigt sich Wilhelm von Humboldt bereits als Juniorpartner der deutschen Klassik“, als er mit der jungen Familie an Schillers Wirkungsstätte nach Jena umzieht. Die Rolle, die er fortan zunächst Schiller, dann auch Goethe gegenüber spielt, wird die des scharfen Analytikers, konstruktiven Kritikers und versierten Ratgebers, der unter anderem auf Schillers Balladen und sein Wallenstein-Drama ebenso kunstverständig eingeht wie auf Goethes Herrmann und Dorothea. Über Humboldts idealisierendes Bekenntnis zum antiken Griechenland und seinen nachfolgenden Einfluss auf das deutsche Bildungswesen urteilt später der Historiker Peter Berglar: Obwohl Humboldt sich an Tiefe nicht mit Goethe, an Dynamik nicht mit Schiller und an Schöpferkraft mit beiden nicht von Ferne messen konnte, hat doch gerade er vielleicht den stärksten, sicher aber den längsten Einfluß auf die deutsche Entwicklung genommen.
19.11.1796 - Marie-Elisabeth von Humboldt, gebürtige Colomb, verwitwete von Holwede (* 8. Dezember 1741 in Berlin), Mutter von Wilhelm und Alexander Humboldt, stirbt in Tegel.
03.12.1796 - Die Humboldt-Brüder erscheinen beide nicht zur Beerdigung ihrer Mutter in Falkenberg bei Berlin. Hingegen ist dies für ihren Sohn aus erster Ehe, Rittmeister Ferdinand von Holwede, anzunehmen, denn er war es auch, der in der „Vossischen Zeitung“ vom 22. November 1796 eine Traueranzeige für seine Mutter aufgab. Vor allem für Alexander wird der Tod der Mutter ein entscheidendes Ereignis, denn die gewonnene finanzielle Unabhängigkeit ermöglicht ihm die Verwirklichung seiner lange gehegten Reise- und Forschungspläne.
Juni 1797 - In Dresden kommt es zur Teilung der Erbschaft der im November des Vorjahres verstorbenen Marie-Elisabeth von Humboldt unter der Aufsicht des treuen Vertrauten der Mutter, des Freundes und früheren Erziehers der Brüder, Christian Kunth. Gut und Schloss Tegel fallen im Wesentlichen an Wilhelm, das Gut Falkenberg erbt der Halbbruder Ferdinand von Holwede. Alexander bezieht Hypothekenzahlungen aus beiden Gütern sowie eine Resthypothek aus dem bereits früher veräußerten Ringenwalde. Mit dem geerbten Bargeld von etwa 38.000 Talern kann er die Amerikareise und später das mehr als 30 Bände umfassende Reisewerk zum großen Teil finanzieren. In ihrem Testament hatte Marie-Elisabeth von Humboldt geschrieben: „[…] da ich das Gut Falkenberg bei meiner Familie auf längere Zeit zu erhalten wünsche, so vermache ich dasselbe meinem ältesten Sohn Ferdinand von Holwede […]“.
diese Reihe wird fortgesetzt
November 1829 - Der am 22. November in Berlin verstorbene frühere Lehrer der Humboldt-Brüder findet seinem eigenen Wunsch folgend in der Nähe der Grabstätte der Familie von Humboldt im Park von Schloss Tegel seine letzte Ruhestätte.
10.04.2000 - Zu Ehren der Mutter der Humboldt-Brüder Marie-Elisabeth von Humboldt wird in Berlin-Falkenberg die Straße 2 in Marie-Elisabeth-von-Humboldt-Straße umbenannt. Falkenberg ist der nördlichste Ortsteil des Bezirkes Lichtenberg von Berlin.
(Königreich Preußen) | ||||||||
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1819 |
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