Otto von Bismarck: Unterschied zwischen den Versionen
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| <center>'''[[Chronik 05.1871|10.05.1871]]'''</center> || Der Deutsch-Französische Krieg endet mit dem Frieden von Frankfurt. Bismarck hat damit den Höhepunkt seiner politischen Laufbahn erreicht. Er wird in den '''''Fürstenstand''''' erhoben und Wilhelm I. machte ihm den Sachsenwald in der Nähe Hamburgs zum Geschenk. Bismarck gehört nunmehr zu den großen Grundbesitzern des Reiches und ist, auch dank der geschickten Verwaltung seiner Gelder durch Gerson Bleichröder, ein reicher Mann. Den Großteil seines Vermögens erwirtschaftet er über den Verkauf des Holzes aus dem Sachsenwald. Bismarck erwirbt ein ehemaliges Hotel in Friedrichsruh im Sachsenwald und lässt es umbauen. Von jetzt an wird Friedrichsruh zum Mittelpunkt seines Privatlebens. Das neue Kaiserreich übernimmt weitgehend die Verfassung des Norddeutschen Bundes. Als Reichskanzler, Vorsitzender des Bundesrates, preußischer Ministerpräsident und Außenminister bleibt Bismarck so der dominierende Politiker. Darüber hinaus kann er auf sein ungeheures Prestige als Gründer des Reiches bauen. Dieses wiegt auch gegenüber Wilhelm I. schwer, sodass Bismarck seinen Willen gegenüber dem Deutschen Kaiser meist durchsetzen kann. Wilhelm klagt daher später: „Es ist nicht leicht unter einem solchen Kanzler Kaiser zu sein.“ Bismarck wird zum Generalleutnant befördert. <br> | | <center>'''[[Chronik 05.1871|10.05.1871]]'''</center> || Der Deutsch-Französische Krieg endet mit dem Frieden von Frankfurt. Bismarck hat damit den Höhepunkt seiner politischen Laufbahn erreicht. Er wird in den '''''Fürstenstand''''' erhoben und Wilhelm I. machte ihm den Sachsenwald in der Nähe Hamburgs zum Geschenk. Bismarck gehört nunmehr zu den großen Grundbesitzern des Reiches und ist, auch dank der geschickten Verwaltung seiner Gelder durch Gerson Bleichröder, ein reicher Mann. Den Großteil seines Vermögens erwirtschaftet er über den Verkauf des Holzes aus dem Sachsenwald. Bismarck erwirbt ein ehemaliges Hotel in Friedrichsruh im Sachsenwald und lässt es umbauen. Von jetzt an wird Friedrichsruh zum Mittelpunkt seines Privatlebens. Das neue Kaiserreich übernimmt weitgehend die Verfassung des Norddeutschen Bundes. Als Reichskanzler, Vorsitzender des Bundesrates, preußischer Ministerpräsident und Außenminister bleibt Bismarck so der dominierende Politiker. Darüber hinaus kann er auf sein ungeheures Prestige als Gründer des Reiches bauen. Dieses wiegt auch gegenüber Wilhelm I. schwer, sodass Bismarck seinen Willen gegenüber dem Deutschen Kaiser meist durchsetzen kann. Wilhelm klagt daher später: „Es ist nicht leicht unter einem solchen Kanzler Kaiser zu sein.“ Bismarck wird zum Generalleutnant befördert. <br> | ||
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− | | <center>'''[[Chronik 1872|1872]]'''</center> || So sehr Bismarck auch von Leidenschaft zur Politik und der Liebe zur Macht durchdrungen ist, so sehr sehnt er sich inzwischen gleichzeitig nach einer Befreiung von dieser Last: „Mein Öl ist verbraucht, ich kann nicht mehr.“ Bismarck ist in den Jahren seiner Kanzlerschaft nicht nur psychisch belastet, sondern auch körperlich stark angeschlagen. Immer öfter muss er sich deswegen teilweise für Monate auf seine Güter zurückziehen. <br> | + | | <center>'''[[Chronik 1872|1872]]'''</center> || Als das preußische Herrenhaus sich weigerte, einer Reform der Kreisordnung zuzustimmen, veranlasst Bismarck Kaiser Wilhelm I. dazu, zusätzliche Herrenhausmitglieder zu ernennen, um mit Hilfe dieses „Pairsschubes“ das Gesetz durchzubringen. Die Empörung bei den Konservativen ist groß und Roon sprach gar von einem Staatsstreich. Dies führt zum Rücktritt Bismarcks vom Posten des preußischen Ministerpräsidenten zu Gunsten Roons. Da dieser sich dem Amt jedoch nicht gewachsen zeigt, wird Bismarck es nach kurzer Zeit wieder selbst übernehmen. <br> |
+ | So sehr Bismarck auch von Leidenschaft zur Politik und der Liebe zur Macht durchdrungen ist, so sehr sehnt er sich inzwischen gleichzeitig nach einer Befreiung von dieser Last: „Mein Öl ist verbraucht, ich kann nicht mehr.“ Bismarck ist in den Jahren seiner Kanzlerschaft nicht nur psychisch belastet, sondern auch körperlich stark angeschlagen. Immer öfter muss er sich deswegen teilweise für Monate auf seine Güter zurückziehen. <br> | ||
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| <center>'''[[Chronik 1876|1876]]'''</center> || Bismarck wird zum General der Kavallerie ernannt. <br> | | <center>'''[[Chronik 1876|1876]]'''</center> || Bismarck wird zum General der Kavallerie ernannt. <br> | ||
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− | | <center>'''[[Chronik 1879|1879]]'''</center> || Da Bismarck im Überfluss isst und trinkt wird er immer dicker und wiegt inzwischen 247 Pfund, bei einer Körpergröße von 1,90 Meter. Er leidet unter zahlreichen teils chronischen Krankheiten wie Rheuma, Venenentzündungen, Verdauungsstörungen, Hämorrhoiden und vor allem unter Schlaflosigkeit, hervorgerufen durch Völlerei. Neben dem Konsum von Alkohol und Tabak berichten Zeitgenossen wie die Baronin Hildegard von Spitzemberg auch von der Einnahme von Morphium. <br> | + | | <center>'''[[Chronik 1878|1878]]'''</center> || Während des Berliner Kongresses zur Beendigung der Balkankrise präsentiert sich Bismarck als „ehrlicher Makler“. Dies verstärkt zwar sein außenpolitisches Prestige auch im Ausland, es zeigen sich aber auch sofort die Grenzen seines Konzepts. Zar Alexander II. macht Bismarck dafür verantwortlich, dass Russlands Erfolge eng begrenzt bleiben. Dies führt dazu, dass Bismarck die Zusammenarbeit mit Österreich forciert. <br> |
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+ | | <center>'''[[Chronik 1879|1879]]'''</center> || Die im Vorjahr begonnene neue Zusammenarbeit mit Österreich mündet in den "Zweibundvertrag". Aus diesem Defensivbündnis gegenüber Russland wird eine dauerhafte Allianz, die die Außenpolitik während des gesamten Kaiserreiches prägen wird. Bismarck selbst stilisierte die Verbindung als eine Art zeitgemäße Neuausgabe des Deutschen Bundes und als „Bollwerk des Friedens über lange Jahre hinaus. Populär bei allen Parteien, exklusive Nihilisten und Sozialisten.“ <br> | ||
+ | Da Bismarck im Überfluss isst und trinkt wird er immer dicker und wiegt inzwischen 247 Pfund, bei einer Körpergröße von 1,90 Meter. Er leidet unter zahlreichen teils chronischen Krankheiten wie Rheuma, Venenentzündungen, Verdauungsstörungen, Hämorrhoiden und vor allem unter Schlaflosigkeit, hervorgerufen durch Völlerei. Neben dem Konsum von Alkohol und Tabak berichten Zeitgenossen wie die Baronin Hildegard von Spitzemberg auch von der Einnahme von Morphium. <br> | ||
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+ | | <center>'''[[Chronik 1881|1881]]'''</center> || Bismarck gelingt es, die Spannungen zwischen Deutschland und Russland abzubauen und das "Dreikaiserbündnis" abzuschließen. Damit verhindert er zunächst eine enge Verbindung Russlands mit Frankreich. <br> | ||
+ | Im privaten Leben Bismarcks spielt die Familie eine große Rolle. Aber auch in diesem Bereich setzt er stets seinen Willen durch. Als sein Sohn Herbert von Bismarck die geschiedene Fürstin Elisabeth zu Carolath-Beuthen heiraten will – eine Katholikin, die mit zahlreichen Bismarck-Gegnern, etwa Marie Gräfin Schleinitz, verwandt und verschwägert ist – verhindert Bismarck dies letztlich, indem er ihm erst mit Enterbung, dann mit Selbstmord drohte. Herbert fügt sich, wird jedoch zeitlebens zu einem verbitterten Mann. <br> | ||
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+ | | <center>'''[[Chronik 1882|1882]]'''</center> || Bismarck gelingt die Schaffung eines Bündnissystems durch den Dreibund zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien. <br> | ||
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+ | | <center>'''[[Chronik 1883|1883]]'''</center> || Rumänien wird Mitglied des 1879 zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn geschaffenen "Zweibundes". <br> | ||
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+ | | <center>'''[[Chronik 1884|1884]]'''</center> || Mitte der 1880er-Jahre scheint Bismarck die diplomatische Absicherung des Reichs erfolgreich abgeschlossen zu haben. Das Konzept der Saturiertheit wird jedoch durch die imperialistischen Tendenzen der Zeit immer mehr in Frage gestellt. Bismarck selbst ist eigentlich Gegner kolonialer Erwerbungen. Auch in Deutschland bildet sich eine imperialistische Bewegung, die auf den Erwerb von Kolonien drängt. Deren Druck kann sich Bismarck nicht auf Dauer entziehen. Verschiedene innen- und außenpolitische Gründe führen zu einem Sinneswandel des Reichskanzlers. Dabei spielt auch die von ihm gefürchtete Thronübernahme des liberalen, englandfreundlichen Kronprinzen Friedrich Wilhelm eine Rolle. Da der Erwerb von Kolonien die Beziehungen zu Großbritannien verschlechtern müsste, habe die Kolonialpolitik, „nur den Zweck, einen Keil zwischen den Kronprinzen und England zu treiben.“ Bismarck kommt schließlich zu der Überzeugung, dass eine erfolgreiche Kolonialpolitik doch mehr Chancen als Risiken birgt. <br> | ||
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+ | | <center>'''[[Chronik 1885|1885]]'''</center> || 1884 und 1885 kommt es zum Erwerb mehrerer Territorien in Afrika und im Stillen Ozean. Da sich die innenpolitischen Konstellationen in Frankreich und Großbritannien ändern, verliert Bismarck jedoch schnell das Interesse an deutscher Kolonialpolitik. Sie bleibt für ihn zunächst eine Episode. <br> | ||
+ | Ernst Schweninger, der neue Arzt Bismarcks, kann ihn in den 1880er-Jahren zu einer gesünderen Lebensweise überreden. Zuvor litt der Fürst unter Gesichtneuralgien, weshalb er sich vor Schweningers Behandlung einen Vollbart wachsen ließ, damit er sich nicht rasieren musste. <br> | ||
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+ | | <center>'''[[Chronik 1886|1886]]'''</center> || In der zweiten Hälfte der 1880er-Jahre wird Bismarcks außenpolitisches System zunehmend bedroht. In Frankreich nehmen die revanchistischen Tendenzen zu. Zeitweilig droht ein französisch-russisches Bündnis und damit die Gefahr eines Zweifrontenkriegs für das Deutsche Reich. Bismarck bauscht die Krise mit Frankreich allerdings auf, um seine innenpolitischen Pläne zur Heeresverstärkung durchsetzen zu können. | ||
+ | Fast zeitgleich entsteht eine neue Balkankrise. Bismarck versucht vergeblich, die Spannungen zwischen den beiden Kontrahenten Österreich und Russland auszugleichen. Das Dreikaiserbündnis zerbricht. In Russland nehmen daraufhin die Stimmen für ein Bündnis mit Frankreich weiter zu. Probleme durch die Schutzzollpolitik Bismarcks verschärfen die Situation. In Deutschland plädieren einflussreiche Persönlichkeiten aus Militär und Diplomatie wie Friedrich von Holstein, Helmuth Karl Bernhard von Moltke und Alfred von Waldersee für einen Präventivkrieg gegen Russland. Bismarck lehnt solche Ideen strikt ab. Er hält den Krieg weiter für vermeidbar. Als Macht- und Realpolitiker spielen nationalistische und sozialdarwinistische Vorstellungen für ihn keine Rolle. Zwar ist Bismarcks altes Bündnissystem zerbrochen, doch gelingt es ihm, die Krise noch einmal entschärfen. Auf dem Balkan weigert er sich, für England und Österreich „die Kastanien aus dem Feuer zu holen.“ Ohne mit Österreich zu brechen, geling es ihm, einen offenen Krieg zu verhindern. <br> | ||
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− | | <center>'''[[Chronik | + | | <center>'''[[Chronik 1887|Februar 1887]]'''</center> || Bismarck ist im Hintergrund am Zustandekommen der Mittelmeer-Entente zwischen Großbritannien, Österreich und Italien beteiligt. Ihr Ziel ist es, den russischen Expansionsdrang zu begrenzen. Kurze Zeit später schließt Bismarck mit Russland den Rückversicherungsvertrag ab, um Russland erneut an Deutschland zu binden. <br> |
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− | | <center>'''[[Chronik | + | | <center>'''[[Chronik 1888|1888]]'''</center> || Gegenüber dem Kolonialverfechter Eugen Wolf äußert Bismarck: „Ihre Karte von Afrika ist ja sehr schön, aber meine Karte von Afrika liegt in Europa. Frankreich liegt links, Russland liegt rechts, in der Mitte liegen wir. Das ist meine Karte von Afrika.“ Jedoch hat Bismarck ungewollt Kräfte freigesetzt, die sich in der Wilhelminischen Zeit nicht mehr beherrschen lassen werden. <br> |
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| <center>'''[[Chronik 1890|1890]]'''</center> || Anlässlich seines Rücktritts vom Kanzleramt erfolgt die Ernennung Fürst Bismarcks zum Generaloberst der Kavallerie im Rang eines Generalfeldmarschalls. <br> | | <center>'''[[Chronik 1890|1890]]'''</center> || Anlässlich seines Rücktritts vom Kanzleramt erfolgt die Ernennung Fürst Bismarcks zum Generaloberst der Kavallerie im Rang eines Generalfeldmarschalls. <br> | ||
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Auf verschiedenen Feldern zeigten sich bald schon erste Grenzen der Zusammenarbeit Bismarcks mit den Liberalen. Zum wichtigsten Streitpunkt wurde ab 1873 der Bereich der Militärorganisation, um den es heftige Auseinandersetzungen gab. Auf den von Bismarck geforderten faktischen Verzicht des Parlaments auf Kontrolle des Militärhaushaltes („Äternat“) konnten sich die Nationalliberalen nicht einlassen. Eine Lösung brachte 1874 ein Kompromissvorschlag von Johannes Miquel. Danach wurden die Ausgaben für jeweils sieben Jahre bewilligt („Septennat“). Trotz dieses relativen Erfolgs hatte Bismarck den Liberalen die Grenzen seiner Kooperationswilligkeit deutlich gemacht, obwohl diese ihm de facto acht Jahre Handlungsfreiheit gaben. Gleichzeitig stärkte die grundsätzliche Einigung mit dem Parlament Bismarcks Stellung gegenüber dem Militär.[119] | Auf verschiedenen Feldern zeigten sich bald schon erste Grenzen der Zusammenarbeit Bismarcks mit den Liberalen. Zum wichtigsten Streitpunkt wurde ab 1873 der Bereich der Militärorganisation, um den es heftige Auseinandersetzungen gab. Auf den von Bismarck geforderten faktischen Verzicht des Parlaments auf Kontrolle des Militärhaushaltes („Äternat“) konnten sich die Nationalliberalen nicht einlassen. Eine Lösung brachte 1874 ein Kompromissvorschlag von Johannes Miquel. Danach wurden die Ausgaben für jeweils sieben Jahre bewilligt („Septennat“). Trotz dieses relativen Erfolgs hatte Bismarck den Liberalen die Grenzen seiner Kooperationswilligkeit deutlich gemacht, obwohl diese ihm de facto acht Jahre Handlungsfreiheit gaben. Gleichzeitig stärkte die grundsätzliche Einigung mit dem Parlament Bismarcks Stellung gegenüber dem Militär.[119] | ||
Version vom 23. Mai 2017, 23:55 Uhr
Deutscher Bund / Norddeutscher Bund / Deutsches Kaiserreich
OTTO FÜRST VON BISMARCK
* 01.04.1815 Schönhausen (Altmark), † 30.07.1898 Friedrichsruh bei Hamburg
Kanzler 1862-1890
Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen wird in Schönhausen (Elbe) geboren. Er ist der zweite Sohn des Rittmeisters Karl Wilhelm Ferdinand von Bismarck (1771-1845) und dessen Ehefrau Luise Wilhelmine, geb. Mencken (1790-1839) und gehört einem alten Adelsgeschlecht an. Die väterliche Familie ist ein Junkergeschlecht der Altmark. Seine Mutter dagegen ist als Tochter von Anastasius Ludwig Mencken bürgerlicher Herkunft. Die Familie Mencken hat in der Vergangenheit Gelehrte und hohe Beamte hervorgebracht. Die unterschiedliche soziale Herkunft der Eltern hat erhebliche Folgen für Bismarcks Sozialisation. Vom Vater erbt er den Stolz auf seine Herkunft, die Mutter gibt ihm nicht nur seinen scharfen Verstand, den Sinn für rationales Handeln und sprachliche Sensibilität mit, sondern auch den Wunsch, seinem Herkunftskreis zu entkommen. Bismarck hat es seiner Mutter zu verdanken, dass er eine Bildung genießt, die für einen Landedelmann nicht typisch ist. Ihre Söhne sollen nicht nur Junker sein, sondern in den Staatsdienst eintreten. Allerdings führt die streng auf das Rationale abzielende Erziehung der Mutter dazu, dass sich Bismarck, wie er später schreibt, in seinem Elternhaus nie wirklich heimisch fühlt. Während er der Mutter reserviert gegenübersteht, liebt er den Vater. | |
Die Familie von Bismarck siedelt nach Gut Kniephof im Landkreis Naugard in Hinterpommern, ohne ihr Gut Schönhausen aufzugeben. | |
Auf Wunsch der Mutter beginnt Bismarck seine schulische Ausbildung in der preußischen Hauptstadt Berlin in der Plamannschen Erziehungsanstalt. Dieses Internat, in das hohe Beamte ihre Söhne zu schicken pflegen, wurde ursprünglich im Geist von Johann Heinrich Pestalozzi gegründet. Jetzt aber ist diese Reformphase längst beendet und die Erziehung geprägt von Drill und Deutschtümelei. Der Übergang vom kindlichen Spiel auf dem heimischen Hof zum Internatsleben, das von Zwang und Disziplin geprägt war, fällt Bismarck außerordentlich schwer. In dieser Zeit prägt sich deutlich sein Unwillen aus, Autoritäten anzuerkennen. | |
Bismarck wird in der lutherischen Berliner Dreifaltigkeitskirche konfirmiert. Sein Pfarrer ist der bekannte Theologe, Altphilologe, Philosoph, Publizist und Staatstheoretiker Friedrich Schleiermacher. Bismarck befasst sich mit Fragen der Religion hauptsächlich vom Verstand her und sieht sich in ihr, von Hegel oder Spinoza beeinflusst, rückblickend eher als Deist und Pantheist denn als gläubiger Christ. Ein Atheist wird er allerdings nie, auch wenn seine Umgebung ihn zumeist für einen gottlosen Spötter hielt. | |
Bismarck besteht sein Abitur und beabsichtigt das Studium der Rechtswissenschaften, zunächst an der Universität von Göttingen. | |
Bismarck setzt sein Studium der Rechtswissenschaften an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität fort. | |
Bismarck besteht das Erste Staatsexamen und dient zunächst beim Berliner Stadtgericht. Er wechselt bald auf eigenen Wunsch vom Justiz- in den Verwaltungsdienst. | |
Bismarck, inzwischen Regierungsreferendar im Kurort Aachen, verliebt sich in Laura Russell, eine Nichte des Herzogs von Cumberland. | |
Nach einer Affäre mit einer (älteren) Französin reist Bismarck mit einer (jüngeren) Engländerin, einer Freundin Lauras, durch Deutschland. Da es zu einer mehrwöchigen Überschreitung seines vierzehntägigen Urlaubs kommt, verliert er sein Referendariat. Er macht Schulden durch seine Auslagen für Frauen und durch Besuche von Spielcasinos. | |
Bismarck versucht, seine Referendarausbildung in Potsdam fortzusetzen, kehrt dem Verwaltungsdienst aber nach einigen Monaten den Rücken. | |
Bismarck leistet als Einjährig-Freiwilliger seinen Militärdienst ab, zunächst beim Garde-Jäger-Bataillon. Im Herbst wechselt er zum Jäger-Bataillon Nr. 2 nach Greifswald in Vorpommern, wo er sich an der Königlichen Staats- und landwirtschaftlichen Akademie Eldena auch auf die Führung der Familienbetriebe vorbereitet. | |
Bismarck bezieht nach dem Tod seiner Mutter das hinterpommersche Gut Kniephof und wird Landwirt. Gemeinsam mit dem um fünf Jahre älteren Bruder Bernhard bewirtschaftet er die väterlichen Güter Kniephof, Külz und Jarchlin im Kreis Naugard. | |
Nachdem Bernhard von Bismarck 1841 zum Landrat gewählt worden war, kommt es zu einer vorläufigen Teilung des elterlichen Erbes. Bernhard bewirtschaftet nun Jarchlin, Otto Külz und Kniephof. | |
Bismarck unternimmt eine Studienreise nach Frankreich und England und in die Schweiz. | |
Das Bestreben, in den Staatsdienst zurückzukehren, gibt Bismarck auf – erneut aufgrund seiner Abneigung gegen alles Bürokratische. In diesen Jahren wird er gerngesehener Gast bei zahlreichen gesellschaftlichen Ereignissen in der Region. Er nimmt unter anderem an zahlreichen Jagdveranstaltungen teil, aber auch an ausschweifenden Zechgelagen. Eigenen Bekundungen zufolge eignet er sich in diesem Zusammenhang eine Art Trinkfestigkeit an; bei den Landjunkern gewinnt er an Ansehen, weil er dazu fähig sei, seine „Gäste mit freundlicher Kaltblütigkeit unter den Tisch zu trinken“. Dies wie auch die ihm anhaftende Neigung, bei gesellschaftlichen Ereignissen fast stets im Mittelpunkt zu stehen, bringt ihm den Ruf des „tollen Bismarck“ ein. | |
Otto von Bismarck lernt seine zukünftige Ehefrau Johanna von Puttkamer kennen. | |
Nach dem Tod des Vaters übernimmt Otto die Bewirtschaftung des Familienbesitzes Schönhausen bei Stendal. Bismarck erwirbt schnell gute Kenntnisse in rationaler landwirtschaftlicher Betriebsführung. In den etwa zehn Jahren, in denen er als Verwalter des elterlichen Besitzes fungiert, wird es ihm nicht nur gelingen, die Güter zu sanieren, sondern auch die eigenen Schulden zurückzuzahlen, die er in den zurückliegenden Jahren aufgehäuft hat. Einerseits gefällt es ihm, sein eigener Herr zu sein, andererseits füllen ihn die landwirtschaftliche Tätigkeit und das Leben als Landjunker nicht wirklich aus. Er beschäftigte sich nebenher intensiv, aber unsystematisch mit Philosophie, Kunst, Religion und Literatur, ohne dass ihn dies nachhaltig prägt. Außerdem wird er Mitglied des Provinziallandtags der Provinz Pommern. Außerdem unterstützt er in einigen Fällen die Arbeit seines Bruders, der Landrat ist. Bismarck tritt politisch zunächst auf kommunaler Ebene hervor. In seiner Zeit auf Gut Kniephof ist er Deputierter des Kreises Naugard. Er verpachtet sein Gut Kniephof und zieht nach Schönhausen. | |
In Schönhausen erhält Bismarck sein erstes öffentliches Amt durch die Ernennung zum Deichhauptmann in Jerichow. Sein Hauptanliegen ist es, die Vormachtstellung des landbesitzenden Adels in Preußen zu bewahren. Die Konservativen lehnen den absolutistisch-bürokratischen Staat ab und träumen von einer Wiedereinführung der Mitregierung der Stände, insbesondere des Adels.Zusammen mit den Brüdern Gerlach tritt Bismarck beispielsweise für die Bewahrung der Patrimonialgerichtsbarkeit ein. | |
In Reinfeld (Landkreis Rummelsburg in Pommern) heiratet Bismarck Johanna von Puttkamer. Seit dieser Zeit spielt der Glaube an einen persönlichen Gott für Bismarck eine zentrale Rolle. Als Nachrücker im sächsischen Provinziallandtag wird Bismarck als Vertreter der Ritterschaft der Provinz Sachsen Mitglied des Vereinigten Landtags. In diesem Gremium, das von der gemäßigten liberalen Opposition dominiert wird, fällt er bereits bei seiner ersten Plenarrede als strikt konservativer Politiker auf, als er bestreitet, dass es bei den Befreiungskriegen auch um die Durchsetzung liberaler Reformen gegangen ist. In der „Judenfrage“ spricht er sich klar gegen die politische Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung aus. Diese und ähnliche Positionen führen bei den Liberalen zu empörten Reaktionen. Bismarck findet jetzt in der Politik ein Betätigungsfeld, das seinen Neigungen entgegenkommt: „Die Sache ergreift mich viel mehr als ich dachte.“ | |
Otto und Johanna von Bismarck bekommen ihr erstes Kind. Marie wird benannt nach der früh verstorbenen Freundin Johannas, bei deren Hochzeit sich die beiden kennenlernten, da Marie Johanna als Tischdame Bismarcks platziert hatte. Die Leidenschaft des politischen Kampfes ließ ihn indessen kaum essen und schlafen. Am Ende der Landtags-Periode hat sich Bismarck in den konservativen Kreisen einen Namen gemacht. Auch der König ist auf ihn aufmerksam geworden. Wenngleich er eindeutig konservative Positionen vertritt, ist Bismarck bereits jetzt auch Pragmatiker und bereit, vom politischen Gegner zu lernen. Dies kommt etwa in dem Plan zum Tragen, als Gegengewicht zur liberalen „Deutschen Zeitung“ eine konservative Zeitung zu gründen. | |
Bismarck lehnt die Märzrevolution entschieden ab. Als ihn die Nachricht vom Erfolg der Bewegung in Berlin erreicht, bewaffnet er in Schönhausen die Bauern und schlägt vor, mit ihnen nach Berlin zu ziehen. Der in Potsdam kommandierende General Karl von Prittwitz lehnt dieses Angebot jedoch ab. Danach versucht Bismarck, Prinzessin Augusta, die Gattin des späteren Königs Wilhelm I., von der Notwendigkeit einer Gegenrevolution zu überzeugen. Augusta weist das Ansinnen als intrigant und illoyal zurück. Bismarck zieht sich durch sein Verhalten die dauerhafte Abneigung der späteren Königin zu. Nach der Anerkennung der Revolution durch Friedrich Wilhelm IV. sind Bismarcks gegenrevolutionäre Pläne vorerst gescheitert. In die preußische Nationalversammlung wurde Bismarck nicht gewählt. Dafür beteiligt er sich an der außerparlamentarischen Sammlung des konservativen Lagers. | |
Bismarck ist an der Gründung und inhaltlichen Ausgestaltung der „Neuen Preußischen Zeitung“ (wegen des Kreuzes auf dem Titelblatt auch „Kreuzzeitung“ genannt) beteiligt. Für das Blatt schreibt er zahlreiche Beiträge. | |
Bismarck wird einer der maßgeblichen Initiatoren des sogenannten Junkerparlaments. In diesem versammeln sich mehrere hundert adlige Gutsbesitzer, um gegen den Eingriff in ihr Eigentum zu protestieren. Diese Aktivitäten führen dazu, dass die konservative Kamarilla um den König Bismarck immer mehr zu schätzen beginnt. | |
Die Hoffnung Bismarcks, nach der Gegenrevolution mit einem Ministerposten belohnt zu werden, erfüllt sich nicht, da er selbst in konservativen Kreisen als zu extrem gilt. Der König schreibt auf eine entsprechende Vorschlagsliste als Randbemerkung: „Nur zu gebrauchen, wenn das Bayonett schrankenlos waltet“. | |
Otto und Johanna von Bismarck wird ihr erster Sohn, Herbert, geboren. Im Januar und im Juli wird er in die zweite Kammer des preußischen Landtages gewählt. Er beschließt, sich ganz der Politik zu widmen, und zieht mit seiner Familie nach Berlin. Damit wird er einer der ersten Berufspolitiker in Preußen. Im Landtag tritt er als Sprachrohr der Ultrakonservativen auf. So verteidigt er die Ablehnung von Kaiserwürde und Reichsverfassung durch Friedrich Wilhelm IV., weil aus seiner Sicht zu befürchten steht, dass Preußen in Deutschland aufginge. Die nationale Frage ist für ihn gegenüber der Sicherung der preußischen Macht zweitrangig. Der König und sein Berater Joseph von Radowitz wollen die deutsche Einheit vor allem durch Absprache mit den Mittelstaaten erreichen. Außerdem soll die angestrebte Erfurter Union konservativer und föderalistischer sein als das Frankfurter Vorbild. Bismarck hält dies für unrealistisch und nicht sinnvoll. Im preußischen Parlament macht er aus seiner Kritik an den Plänen keinen Hehl. Seine Rede vom 6. September 1849 verändert die Haltung interessierter politischer Kreise zu ihm. Er gilt fortan wegen seiner abwägenden und flexiblen Argumentation auch in den eigenen konservativen Reihen nicht mehr nur als Scharfmacher. Bismarck empfiehlt sich damit erstmals für einen Posten im hohen Staatsdienst oder in der Diplomatie. Er wird trotz seiner Kritik an der Union in das Volkshaus des Erfurter Unionsparlaments gewählt und in ihm Schriftführer. Obwohl er dem Parlamentarismus grundsätzlich ablehnend gegenübersteht, entwickelt Bismarck sich in Erfurt zu einem der bisher bedeutendsten Parlamentsredner, dem auch der politische Gegner wegen seiner bilder- und pointenreichen Sprache Aufmerksamkeit schenkt. Nach dem Scheitern der Unionspläne übernimmt Bismarck die schwierige Aufgabe, im preußischen Landtag die Olmützer Punktation zu verteidigen. Er schaffte es dabei, einerseits konservative Standpunkte zu vertreten, sich andererseits aber zu einer staatlichen Machtpolitik fern irgendwelcher Ideologien zu bekennen: „Die einzige gesunde Grundlage eines großen Staates, und dadurch unterscheidet er sich wesentlich von einem kleinen Staate, ist der staatliche Egoismus und nicht die Romantik, und es ist eines großen Staates nicht würdig, für eine Sache zu streiten, die nicht seinen eigenen Interessen angehört.“ Mit seiner Betonung des Staates, der Macht- und Interessenpolitik, entfernt Bismarck sich vom traditionellen Konservatismus, der (in eher defensiver Grundeinstellung) aus der Gegnerschaft zum modernen, zentralen, bürokratischen und absolutistischen Staat entstanden ist. | |
Als das Königreich Preußen und das Kaisertum Österreich nach der Herbstkrise 1850 zusammenarbeiten, will Bismarck sich nicht damit abfinden, dass der österreichische Ministerpräsident Felix zu Schwarzenberg Preußen die Rolle als Juniorpartner zugedacht hat. Ihm und letztlich auch der Regierung in Berlin geht es darum, die Anerkennung Preußens als gleichberechtigte Macht durchzusetzen. Zu diesem Zweck sucht er ständig die Auseinandersetzung mit dem österreichischen Gesandten Friedrich von Thun und Hohenstein, greift Wien scharf an und legt zeitweise sogar die Arbeit des Bundestages lahm, um die Grenzen der österreichischen Kompetenzen in Frankfurt aufzuzeigen. Er trägt auch dazu bei, dass Österreichs Wunsch scheiterte, dem Deutschen Zollverein beizutreten. Bismarck lehnt einen Ausbau der Institutionen und überhaupt eine Bundesreform ab, solange Österreich Preußen nicht als gleichberechtigt behandelt. | |
Bismarck wird auf Betreiben Leopold von Gerlachs durch Friedrich Wilhelm IV. zum preußischen Gesandten beim Bundestag in Frankfurt ernannt. Eine diplomatische Ausbildung hat er nicht. Die Stellung in Frankfurt ist nach seiner Einschätzung zu dieser Zeit der wichtigste Posten in der preußischen Diplomatie. Seine Ernennung wird in der Öffentlichkeit als Zeichen für den Sieg der sozialen und politischen Reaktion sowie als Kapitulation Preußens gegenüber Österreich gewertet. | |
Otto und Johanna von Bismarck werden Eltern eines dritten Kindes, Wilhelm. Johanna ordnet ihre Bedürfnisse denen ihres Mannes unter und bietet ihm zugleich – anders als seine Mutter – eine feste emotionale Bindung. Die Briefe, die die beiden austauschen, gehören zu den Höhepunkten der Briefliteratur des 19. Jahrhunderts. In Frankfurt handelt Bismarck sehr eigenständig. Er befindet sich zeitweise sogar im Gegensatz zur Berliner Regierungspolitik. Allerdings macht er als Gesandter deutlich, dass er noch immer ein Mann der Hochkonservativen ist. | |
Bismarcks Haltung in einer Kammerdebatte führt zum Duell Vincke–Bismarck, bei dem keiner der beiden Duellanten getroffen wird. | |
Vor dem Hintergrund des Krimkrieges entscheidet die preußische Regierung, das Schutz- und Trutzbündnis mit Österreich zu erneuern, was bei Bismarck auf Kritik stößt. | |
Als Österreich sich, gestärkt durch das im Vorjahr mit Preußen geschlossene Schutz- und Trutzbündnis, offen gegen Russland wendet, gelingt es Bismarck, durch geschicktes Taktieren den Antrag der Österreicher zur Mobilisierung der Bundestruppen gegen Russland abzuwenden. Dieser Erfolg lässt sein diplomatisches Ansehen zunehmen. Nach der Niederlage Russlands im Krimkrieg plädiert er in verschiedenen Denkschriften für eine Anlehnung an das Zarenreich und an Frankreich, durch die er Österreich weiter zu schwächen hofft. | |
Bismarck legt sein umfangreiches außenpolitisches Konzept in der „Prachtschrift“ nieder. Seine Äußerungen lösen einen heftigen Konflikt mit den Hochkonservativen um die Gebrüder Gerlach aus, die in Napoléon III. nur einen Vertreter des revolutionären Prinzips und einen „natürlichen Feind“ sehen. Bismarck antwortet, dass ihm die Legitimität der Staatsoberhäupter letztlich egal sei. Für ihn stehen nicht die konservativen Grundsätze, sondern die Staatsinteressen im diplomatischen Geschäft im Mittelpunkt. Im Lager der Konservativen gilt er nun zunehmend als egoistischer Opportunist. | |
Nach der Übernahme der Regentschaft durch Prinz Wilhelm verlieren die Hochkonservativen an Einfluss; stattdessen nimmt die Bedeutung der gemäßigt liberal-konservativen Wochenblattpartei zu. In der beginnenden Neuen Ära versuchte auch Bismarck, durch eine gewisse Distanzierung von den extremen Konservativen seine Position zu behaupten. In einer umfangreichen Denkschrift spricht er nunmehr von einer „nationalen Mission“ Preußens und von einem Bündnis mit der national-liberalen Bewegung. Damit vollzieht er einen bemerkenswerten Kurswechsel. Allerdings geht es ihm nicht um den Kampf für die deutsche Einheit um ihrer selbst willen, sondern es ist sein Ziel, den deutschen Nationalismus einer Stärkung der preußischen Macht dienstbar zu machen. | |
Bismarck wird als preußischer Gesandter nach Sankt Petersburg versetzt; er selbst spricht davon, dass er an der Newa kaltgestellt wurde. Der Wechsel fällt der Familie schwer; die Eheleute Bismarck haben in Frankfurt die glücklichste Zeit ihrer Ehe erlebt. Bismarck erweitert in der neuen Funktion allerdings seine diplomatischen Kenntnisse und erfreut sich des Wohlwollens des russischen Hofes und des Kaiserpaares. Sein Ehrgeiz richtet sich aber zunehmend auf die höchsten Ämter im preußischen Staat. Er beobachtet genau die Entwicklung des preußischen Verfassungskonflikts. | |
In Berlin verfestigt sich die ablehnende Haltung der Liberalen gegen eine geplante Heeresreform. Die Notwendigkeit einer solchen Reform wird eigentlich von niemandem ernsthaft in Frage gestellt. Im Gegensatz zu den anderen Großmächten ist die preußische Armee seit 1815 kaum gewachsen. Selbst im Vergleich mit Österreich sind die preußischen Streitkräfte deutlich schwächer. Die offiziell bestehende Wehrpflicht existiert in der Wirklichkeit nur noch auf dem Papier, und seit längerem gibt es Bemühungen, die Landwehr an die reguläre Armee heranzuführen. In der Sache würde eine Einigung mit den Liberalen bei der Heeresvorlage möglich sein. König Wilhelm I. jedoch glaubt, dass ein Nachgeben die Krone schwächen würde. Dies bestärkt die Liberalen in ihrer Kritik, und das Abgeordnetenhaus verweigerte die für die Reform nötigen Finanzmittel. Das Parlament wird daraufhin aufgelöst und eine neue Regierung gebildet. Statt der gemäßigten Liberalen der Neuen Ära haben in dieser Regierung Konservative wie der Kriegsminister Albrecht von Roon das Sagen. Aus den Neuwahlen geht allerdings die neu gegründete Fortschrittspartei als Sieger hervor, während die Zahl der konservativen Abgeordneten stark abnimmt. Wilhelm I. erwägt in dieser aussichtslos erscheinenden Lage ernsthaft den Rücktritt zu Gunsten seines Sohnes, des späteren Kaisers Friedrich III. Nach einer Auseinandersetzung mit den Ministern der Regierung hat der König bereits den Entwurf einer Abdankungsurkunde formuliert. | |
Die Hoffnung, zum Ministerpräsidenten ernannt zu werden, erfüllte sich für Bismarck nicht. Stattdessen wird er Gesandter in Paris, wo er im Palais Beauharnais residiert. Dieser Posten gilt ihm jedoch von Beginn an nur als Wartestellung.
In diese Zeit fällt die von seiner Ehefrau geduldete Liebesaffäre mit Fürstin Katharina Orlowa (1840–1875), der Ehefrau des russischen Gesandten in Belgien Nikolai Alexejewitsch Orlow. | |
Otto von Bismarck und seine Geliebte Katharina Orlowa entgehen in Biarritz fast dem Tod durch Ertrinken, werden aber von einem Leuchtturmwärter gerettet. Seiner Frau schreibt Bismarck an diesem Tag nur: „Nach einigen Stunden Ruhe und Briefeschreiben nach Paris und Berlin nehme ich den zweiten Trunk Salzwasser, diesmal im Hafen, ohne Wellenschlag, mit viel Schwimmen und Tauchen, zwei Wellenbäder wären mir zu viel am Tage.“ Es ist die letzte private Eskapade Bismarcks, ehe er sich ausschließlich der Politik widmen wird. | |
Der preußische General Albrecht von Roon sieht in der Ernennung Bismarcks zum Ministerpräsidenten die einzige Möglichkeit, den Thronwechsel zugunsten des als liberal geltenden Kronprinzen zu verhindern. Mit einem Telegramm: „Periculum in mora. Dépêchez-vous!“ („Gefahr im Verzuge. Beeilen Sie sich!“) ruft er Bismarck nach Berlin zurück. | |
Nach 25 Stunden Bahnfahrt trifft Bismarck in Berlin ein. | |
Bismarck wird von König Wilhelm I. im Schloss Babelsberg empfangen. Bismarck gewinnt den noch zögernden König, indem er sich als seinen unbedingten Gefolgsmann gibt. Er verspricht die Durchsetzung der Heeresreform und betont seinerseits die grundlegende Bedeutung der Auseinandersetzung um sie. Es gelte, um die Entscheidung zwischen „königlichem Regiment oder Parlamentsherrschaft“ zu kämpfen. Um die letztere abzuwenden, befürwort er auch „eine Periode der Diktatur.“ Der König fragt Bismarck daraufhin, ob er bereit sei, sich für die Heeresreform ohne Abstriche einzusetzen und an der Reform festzuhalten, notfalls auch gegen die Mehrheitsbeschlüsse des Abgeordnetenhauses. Als Bismarck beides bejaht, zeigt sich der König von seiner Entschlossenheit beeindruckt: „Dann ist es meine Pflicht, mit Ihnen die Weiterführung des Kampfes zu versuchen und ich abdiziere nicht“ ("...ich danke nicht ab"). Der König ernennt Bismarck zum Ministerpräsidenten und Außenminister. Das Ernennungsgespräch legte die Grundlage für die ungewöhnliche Beziehung zwischen dem König und Bismarck in den folgenden Jahrzehnten. Bismarck schafft sich die Grundlage für eine außergewöhnliche Vertrauensstellung bei Wilhelm I. sowie eine Blankovollmacht, die seinen Handlungsspielraum über das übliche Maß eines leitenden Ministers hinaus erweitert, indem er sich dem Monarchen als „kurbrandenburgischer Vasall“ andient, der in prekärer Lage kampfesmutig und in unverbrüchlicher Treue zu seinem Lehnsherrn stehen wird. Zwar wird es in den nächsten Jahren immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten kommen, die jedoch das Grundvertrauen des Königs Bismarck gegenüber nicht beeinträchtigen werden. Im Einzelnen erhält Bismarck sehr starke Vollmachten, auf die er sich später berufen wird. Darunter ist die, dass seine Minister nur mit seinem Einverständnis dem Monarchen einzeln berichten dürfen. Bismarck bleibt zwar ein Konservativer, allerdings ein zunehmend pragmatisch handelnder und nicht an ideologischen Fixierungen klebender Politiker. Ideale, Theorien und Prinzipien sind für ihn nicht vorrangig ausschlaggebend; was vor allem zählt, sind die Interessen der Staaten. Daraus ergibt sich die Machterweiterung Preußens als maßgebliches Ziel. Aus Bismarcks Sicht ist es nur möglich, den Großmachtanspruch Preußens zu bewahren, wenn dieses eine hegemoniale Stellung in Europa zu Lasten Österreichs gewinnen kann und die übrigen europäischen Mächte das dulden würden. Um Nationalismus im landläufigen Sinn geht es ihm dabei nicht, vielmehr um außenpolitischen Realismus. Er setzt darauf, dass außenpolitische Erfolge sich auch auf seine Innenpolitik günstig auswirken. Er will die Monarchie und den Obrigkeitsstaat ebenso erhalten wie die besondere Stellung von Militär und Adel. Erste Priorität hat aber im Zweifelsfall die Macht des Staates. Darauf zielt auch das zeitweilige Bündnis mit der nationalen und der liberalen Bewegung. Am Anfang dominiert in weiten Teilen der politischen Öffentlichkeit bis hinein ins konservative Lager die Ablehnung Bismarcks, der noch immer als extremer Reaktionär galt. Er hat es daher schwer, geeignete Minister zu finden, und schrieb: „Wir sind froh, wenn wir acht Männer finden und halten.“ Das erste Kabinett Bismarck besteht so denn auch mehrheitlich aus eher zweitrangigen Persönlichkeiten. Unter ihnen sind Carl von Bodelschwingh, Heinrich Friedrich von Itzenplitz und Gustav von Jagow. In seinen Memoiren urteilt Bismarck, dass einige Minister „nicht im Stande [sind,] ihre Ministerien zu leiten“. Sie haben mit Ausnahme Roons kein Verständnis für die politische Gesamtlinie, einige erwiesen sich außerdem als „arbeitsscheu und vergnügungssüchtig“. Vor diesem Hintergrund ist Bismarck die alles entscheidende Persönlichkeit. Als Chef eines Konfliktministeriums berufen, dominierte er klar die Auseinandersetzung mit den Liberalen. | |
Bismarck versucht, die Opposition nicht nur durch Drohungen, sondern auch durch Ausgleichsbemühungen zu neutralisieren. Dies scheitert, weil er mit einigen seiner Äußerungen erneut das Renommee eines stockkonservativen Politikers bedient. Oft zitiert wird die Aussage: „Nicht auf Preußens Liberalismus sieht Deutschland, sondern auf seine Macht. […] Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden […] – sondern durch Eisen und Blut.“ Eigentlich ist die „Blut-und-Eisen“-Rede als weitgehendes Bündnisangebot an die liberale und nationale Bewegung gedacht. Obwohl auch die liberale Mehrheit des Abgeordnetenhauses der Auffassung ist, dass die „Deutsche Frage“ nicht ohne Gewalt durchzusetzen sei, fasst man, insbesondere die (liberale) Presse, „Eisen und Blut“ als eine angekündigte Gewaltherrschaft auf, die sich auf außenpolitische Abenteuer stürze. Dies trägt dazu bei, Bismarcks Ruf als Gewaltpolitiker zu festigen. Bismarck gibt in der Folge seinen Schlingerkurs auf und bekämpft die Liberalen mit aller Schärfe. Das Parlament wird vertagt. Damit regiert Bismarck ohne ordnungsgemäßen Haushalt. | |
Das preußische Parlament wird wieder einberufen. Bismarck rechtfertigt sich mit der berühmt gewordenen, heftig umstrittenen Lückentheorie. Danach basiere das normale staatliche Handeln auf Kompromissen zwischen der Krone, dem Herrenhaus und dem Abgeordnetenhaus. Weigere sich eine der Seiten nachzugeben, komme es zu Konflikten, „und Konflikte, da das Staatsleben nicht stillzustehen vermag, werden zu Machtfragen; wer die Macht in den Händen hat, geht dann in seinem Sinne vor, weil das Staatsleben auch nicht einen Augenblick stillstehen kann.“ Dahinter steht Bismarcks Voraussetzung, der Fall eines unauflöslichen Dissenses zwischen Monarch und Parlament sei in der Verfassung nicht geregelt. Demnach liege eine Lücke vor, die durch die Prärogative des Königs geschlossen werden müsse. Diese Auslegung der Rechtslage ist nach Auffassung vieler Zeitgenossen schlicht ein Verfassungsbruch. Maximilian von Schwerin-Putzar urteilt, dies bedeute, „Macht geht vor Recht.“ Bislang habe die Größe Preußens und die Anerkennung des Königshauses auf dem Grundsatz beruht „Recht geht vor Macht. Justitia fundamentum regnorum! Das ist der Wahlspruch der preußischen Könige, und er wird es fort und fort bleiben.“ | |
Um gegen die Liberalen zu mobilisieren, verfolgt Bismarck zeitweilig unterschiedliche Pläne. Dazu gehört auch ein Bündnis mit der sozialdemokratischen Bewegung. Bismarck trifft sich mehrfach mit Ferdinand Lassalle, ohne dass dies jedoch praktische Auswirkungen hat. Trotz heftiger Proteste – öffentliche Kritik kommt sogar vom Thronfolger – und der allgemeinen Erwartung eines Scheiterns der Regierung überlebt Bismarck die Krise politisch. Gegen hohe liberale Beamte, unter ihnen nicht zuletzt Abgeordnete, geht er mit repressiven Mitteln bis hin zu Entlassungen vor. Gleichzeitig wird die Pressefreiheit in Missachtung der Verfassung praktisch abgeschafft. | |
Das erste Abkommen, die Alvenslebensche Konvention zur Unterstützung Russlands gegen den Aufstand in Polen, stößt in Preußen selbst in konservativen Kreisen auf breite Ablehnung. Der Druck von Seiten Großbritanniens und Napoléons III. macht die Konvention überdies wertlos. Österreich sieht Bismarck geschwächt und versucht das zu nutzen, um eine Reform des Deutschen Bundes zu Gunsten der Habsburgermonarchie durchzusetzen. Nur mit Mühe gelingt es Bismarck, dem König die Teilnahme an dem geplanten Fürstentag in Frankfurt auszureden. Der Ministerpräsident legt im Gegenzug die preußischen Vorstellungen einer Bundesreform vor. Sie zielen wie schon früher auf gleiche Rechte für Österreich und Preußen. Neu ist aber die Forderung nach einer „aus direkter Beteiligung der ganzen Nation hervorgehenden Nationalvertretung.“ Dies ist nicht mehr und nicht weniger als ein Bündnisangebot Preußens an die Nationalbewegung, die eng mit dem Liberalismus verbunden ist. Kurzfristig nützt das Bismarck nichts, da er angesichts des Verfassungskonflikts als Partner für die Liberalen nicht in Frage kommt. | |
Der Konflikt um Schleswig und Holstein führt zunächst zu einer Bundesexekution gegen Holstein und Lauenburg. | |
Die Frage der Bundesreform wird bald von einer Krise internationaler Größenordnung überdeckt. Nach dem Tod Friedrichs VII. von Dänemark entbrannte ein Streit um die Zukunft der beiden Herzogtümer Schleswig und Holstein. Schleswig ist ein Lehen Dänemarks, während Holstein Mitglied des Deutschen Bundes ist. Beide Territorien unterstanden jedoch dem dänischen König in Personalunion (Dänischer Gesamtstaat). Friedrich von Augustenburg beanspruchte die Länder für sich. Die deutsche nationale Bewegung unterstützte ihn und forderte die Vereinigung der beiden Herzogtümer und ihre Eingliederung in den Deutschen Bund als eigenständiger Staat. Der neue dänische König Christian IX., der unter dem Druck der Nationalbewegung im eigenen Land stand, unterschrieb stattdessen zögernd die Novemberverfassung, die Schleswig verfassungsrechtlich näher als Holstein an Dänemark band und somit den Bestimmungen des Londoner Protokolls über den Bestand des Gesamtstaates verletzte. Zur Enttäuschung der nationalen und liberalen Bewegung lehnt Bismarck es ab, den Anspruch Friedrichs von Augustenburg zu unterstützen. Er wendet sich gleichzeitig aber auch gegen die dänische Position und strebt mittelfristig die Einbindung der beiden Herzogtümer in den preußischen Machtbereich an. Dies war zum Zeitpunkt der Krise außenpolitisch allerdings nicht durchsetzbar. Deshalb hegt Bismarck zunächst wie Österreich ein Interesse an einem neuen Augustenburger Staat. Die Österreicher sehen in einer „nationalen Lösung“ der schleswig-holsteinischen Frage eine Gefahr für den eigenen Vielvölkerstaat. Vor diesem Hintergrund kann es noch einmal zu einer Zusammenarbeit der beiden deutschen Großmächte kommen. Bismarcks Politik in der schleswig-holsteinischen Krise folgt wie auch bei anderen Gelegenheiten keinem festen Plan. Er geht vielmehr davon aus, dass die Umstände denjenigen am meisten begünstigen werden, der sich von ihnen leiten lässt, ihnen Lösungen abgewinnt und sie ihnen nicht aufzuzwingen versucht. Bismarck tritt zunächst als Verteidiger des bestehenden Völkerrechts auf und fordert von Dänemark, wieder auf den Boden der Londoner Verträge von 1852 zurückzukehren. Dadurch beruhigt er die europäischen Großmächte. Österreich stellt sich an die Seite Preußens. Die übrigen deutschen Staaten im Deutschen Bund und der Bundestag werden dadurch weitgehend an den Rand gedrängt. Tatsächlich erklären Bismarck und der österreichische Gesandte Alajos Károlyi in Berlin, dass beide Großmächte das Recht beanspruchen, sich über die Beschlüsse des Bundestages hinwegzusetzen. Damit wird das Fortbestehen des Bundes erstmals von Preußen und von Österreich gemeinsam in Frage gestellt. | |
Der preußische General von Wrangel überschreitet die deutsch-dänische Grenze bei Rendsburg. Im Gegensatz zu früheren Kriegen Preußens liegt die eigentliche Führung nicht beim König oder den hohen Militärs, sondern beim Ministerpräsidenten, dessen politischem Kalkül die militärischen Schritte untergeordnet werden. Als sich die Berichte über unüberlegte Befehle des 80-jährigen Oberbefehlshabers General Friedrich von Wrangel häufen und er beim König den Antrag stellt, Schleswig-Holstein als unabhängige Herzogtümer anzuerkennen, wird er auf Betreiben Bismarcks abgelöst. | |
Nach dem Sieg Preußens an den Düppeler Schanzen kommt es auf der Londoner Konferenz zu ersten Verhandlungen über die Beilegung des Konflikts, die nicht zuletzt am Taktieren Bismarcks scheitern. Der Krieg geht weiter und die verbündeten Österreicher und Preußen erobern Jütland. Damit ist Dänemark besiegt. | |
Der preußisch-dänische Krieg endet mit dem Wiener Friedensvertrag. In diesem verzichtete Dänemark auf die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Die zeitweiligen Überlegungen, einen eigenen Bundesstaat unter den Augustenburgern zu bilden, bleiben ergebnislos, weil Bismarck versucht, einen solchen Bundesstaat zu einer Art preußischem Protektorat zu machen. Stattdessen werden die Herzogtümer der gemeinsamen Verwaltung durch Österreich und Preußen unterstellt. Diese Konstruktion ist für Bismarck nur ein Provisorium. Nicht zuletzt auf Grund seines Ziels der alleinigen Kontrolle über die Herzogtümer tritt der preußisch-österreichische Gegensatz wieder hervor. Innenpolitisch löste der Erfolg in Dänemark kein Nachgeben der Fortschrittspartei im preußischen Parlament aus. Die Liberalen befinden sich Bismarck gegenüber jetzt aber mit verschiedenen Anträgen in der Defensive, wenn sie zum Beispiel wegen des Verfassungsstreits den Ausbau der Marine ablehnen, der von der Mehrheit sachlich gewollt wird. In der liberalen Bewegung beginnen ehemalige Kritiker des Ministerpräsidenten wie Heinrich von Treitschke, ihre Position zu ändern. Die Liberalen beginnen, in zwei Lager zu zerfallen: Jene, die an der Verbindung zwischen nationaler Einigung und politischer Liberalisierung festhalten, und jene, die das erste Ziel auch unter Hintansetzung des zweiten anstreben. | |
Bismarck fordert den Medizin-Professor Rudolf Virchow (ein Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses) zum Duell, das dieser jedoch ablehnte, weil es keine zeitgemäße Form der Auseinandersetzung sei. An der verfahrenen politischen Situation ändert sich freilich nichts. Die Verfassungskrise bleibt vorerst ungelöst und artet in so etwas wie einen Stellungskrieg aus. Bismarck versucht, die Opposition zu zermürben. Er regiert mit dem Staatsapparat, und lange Zeit wird das Parlament gar nicht einberufen. | |
Nach dem Deutsch-Dänischen Krieg spielt Bismarck noch einige Zeit ernsthaft mit dem Gedanken einer preußisch-österreichischen Übereinkunft unter konservativem Vorzeichen. Als sich zeigt, dass die von Ludwig von Biegeleben bestimmte österreichische Deutschlandpolitik eine Erweiterung der preußischen Macht nicht zulässt, setzt Bismarck auf ein Bündnis mit der liberalen und nationalen Bewegung mit dem Ziel der Schaffung eines kleindeutschen Staates. Allerdings steuert er keineswegs von Beginn an auf eine kriegerische Auseinandersetzung hin. Vielmehr hält er sich zunächst mit dem Ziel der alleinigen Kontrolle über Schleswig und Holstein alle Optionen offen. In der Gasteiner Konvention kommt es zur Teilung. Holstein wird österreichisch und Schleswig preußisch verwaltet. Das Herzogtum Sachsen-Lauenburg kommt an Preußen. Zum Dank erhält Bismarck den preußischen Grafentitel. Für ihn gilt die Auseinandersetzung mit Österreich allerdings nur aufgeschoben. | |
Bismarck entscheidet sich für einen Krieg, weil er hofft, so den preußischen Verfassungskonflikt beenden zu können, zeichnet sich doch immer deutlicher eine Spaltung des oppositionellen Lagers ab. Die zentrale Weichenstellung fällt auf der heutigen Kronratssitzung. Bismarck gelingt es, den vor einem „Bruderkrieg“ zurückschreckenden König von der Kriegspolitik zu überzeugen, und er schafft es, Wilhelm I. in den folgenden Monaten von der Änderung seiner Meinung abzuhalten. Bismarck unternimmt nun alles, Österreich zu isolieren und zu provozieren. Er hält sich aber auch die Möglichkeit offen, den Konfrontationskurs abzubrechen, sollte es zu starke Widerstände der Großmächte geben. Mit Erfolg hält Bismarck insbesondere Napoléon III. zu einer neutralen Haltung an. | |
Bismarck sichert sich die Unterstützung Italiens im Falle eines Krieges gegen Österreich durch einen befristeten Bündnisvertrag. Nachdem er erneut die Wahl eines direkt gewählten deutschen Parlaments ins Spiel bringt, um Österreich zu provozieren, löst er massive Kritik im Lager der preußischen Konservativen aus. Selbst Ludwig von Gerlach distanziert sich in aller Schärfe von ihm. Die Liberalen halten Bismarck weiterhin für unglaubwürdig und gehen auf dessen Bündnisangebot nicht ein. Auch in der Öffentlichkeit ist ein deutscher Bürgerkrieg höchst unpopulär. | |
Um den Krieg abzuwenden, verübte Ferdinand Cohen-Blind ein Pistolenattentat auf Bismarck, was jedoch scheitert. | |
Das preußische Parlament wird erneut aufgelöst. Bismarck spielt anfangs selbst mit dem Gedanken eines Staatsstreichs durch Abschaffung von Wahlrecht und Verfassung. Je länger der Konflikt andauert, desto mehr lehnt er solche Forderungen, die von konservativer Seite erhoben werden, aber ab, da sie keine langfristig stabile politische Ordnung hervorzubringen versprechen.
Bismarck versucht unterdessen, mit außenpolitischen Erfolgen innenpolitischen Druck auf die Opposition auszuüben. Zunächst geht dieses Kalkül nur sehr bedingt auf. | |
Als Österreich die Entscheidung über die Zukunft Schleswig-Holsteins dem Bundestag überträgt, lässt Bismarck mit dem Argument, dies sei eine Verletzung der Gasteiner Konvention, die preußische Armee in Holstein einmarschieren. | |
Der Bundestag beschließt auf Antrag Österreichs die Mobilmachung des Bundesheeres. Preußen erklärte daraufhin den Bund für aufgelöst, da ein solcher Beschluss unzulässig ist. | |
Bismarck gibt den Befehl zur Einnahme der Königreiche Hannover, Sachsen und gegen Kurhessen. Ein Erfolg der preußischen Armee gilt keinesfalls als sicher. Ein Großteil der Zeitgenossen, so auch Napoléon III., rechnen mit einem österreichischen Sieg. Bismarck setzt somit alles auf eine Karte. „Wenn wir geschlagen werden […] werde ich nicht hierher zurückkehren. Ich werde bei der letzten Attacke fallen.“ Bismarck ist bestrebt, den Krieg selbst unter Kontrolle zu halten. Dies steht im Gegensatz zu den Plänen von Generalstabschef Moltke, der einen unbegrenzten Krieg plant. Die Gefahr, das Militär könnte sich der politischen Führung entziehen, kommt dann wegen der Kürze des Feldzuges nicht zum Tragen. Aus verschiedenen Gründen – etwa der Zerstrittenheit der Streitkräfte des Deutschen Bundes, der strategischen Nutzung der Eisenbahn und neuer Taktiken auf dem Schlachtfeld – erweist sich die preußische Armee als überlegen. Bismarck wird zum Generalmajor befördert. | |
Preußen erringt in der Schlacht von Königgrätz den entscheidenden Sieg gegen Österreich. Während Wilhelm I. und die Militärs darauf drängen, Wien zu erobern und Österreich harte Friedensbedingungen aufzuerlegen, setzt Bismarck gemäßigte Bedingungen durch, da er davon ausgeht, dass ein geschwächtes Österreich zu einem Bündnis mit Frankreich gezwungen wäre, was zu einem Zweifrontenkrieg gegen Preußen führen könnte. | |
Im Prager Frieden braucht Österreich keine Gebiete an Preußen abzutreten, muss aber der Abtretung Venetiens an Italien, der Auflösung des Deutschen Bundes und der Bildung eines Norddeutschen Bundes unter preußischer Führung zustimmen. Schleswig und Holstein werden von Preußen ebenso annektiert wie Hannover, Kurhessen, Nassau und die Freie Stadt Frankfurt. Die süddeutschen Staaten bleiben unabhängig. | |
Bismarck erwirbt von der ihm wegen des erfolgreichen Deutschen Krieges bewilligten Dotation in Höhe von 400.000 Talern das Rittergut Varzin. Auf dessen Gemarkung ließ er die Papierfabrik Hammermühle errichten, die sich bald zum größten Unternehmen Ostpommerns entwickeln soll, sowie weitere Papierfabriken. Der Krieg führt unter anderem dazu, dass die Konservativen ihre Position im preußischen Landtag erheblich ausbauen können. Um den Konflikt mit den Liberalen endlich beizulegen, lässt Bismarck ankündigen, er wolle den Landtag um „Indemnität“ bitten, also um die nachträgliche Genehmigung der Ausgaben. Dies bedeutete das Eingeständnis, dass er in den Jahren seit 1862 faktisch ohne rechtmäßigen Haushalt regiert hat. Bismarck will dies aber nicht als Schuldeingeständnis gewertet wissen. Es findet ein Politikwechsel statt, mit dem niemand gerechnet hat. Die Frage, wie man das Angebot Bismarcks zu beurteilen habe, führt zur Spaltung der Liberalen. Während die einen argumentieren, dass von Bismarck weitere Fortschritte in der nationalen Frage zu erwarten seien, meinen andere, liberale Freiheitsrechte müssten Vorrang vor der nationalen Einheit haben. Dieser Konflikt führt zur Abspaltung der gemäßigten und nationalen Liberalen von der Fortschrittspartei und zur Bildung der Nationalliberalen Partei. Ähnliche Veränderungen finden auch im Lager der Konservativen statt. Von den ideologisch geprägten Altkonservativen um Leopold von Gerlach, die sich schon vor dem Krieg von 1866 von Bismarck abgewandt hatten, trennen sich nunmehr realpolitisch gesinnte Bismarckanhänger und bilden die Freikonservative Partei. Für seine Politik wird sich Bismarck in den folgenden Jahren auf Nationalliberale und Freikonservative stützen können. Der Sieg im Deutschen Krieg bewirkt in der deutschen und preußischen Öffentlichkeit einen Wandel in der Beurteilung Bismarcks. Von den Zeitgenossen werden die Umwälzungen als „Revolution von oben“ wahrgenommen. Bismarck selbst hatte mit einer Revolution gedroht, als er fürchtete, Russland würde die Annexionen in Norddeutschland verhindern: „Soll Revolution sein, so wollen wir sie lieber machen als erleiden.“ Gegenüber Napoléon III. hatte er bereits früher gesagt: „Revolutionen machen in Preußen nur die Könige.“ Bei den Annexionen hat Bismarck sich um das für die Konservativen zentrale Prinzip der monarchischen Legitimität nicht gekümmert. Der Reichstag des neuen Norddeutschen Bundes wird nach demokratischen Grundsätzen gewählt. Die zentralen Aspekte der Verfassung des Bundes werden von Bismarck in weiten Teilen selbst bestimmt („Putbuser Diktate“), wenngleich er in den parlamentarischen Beratungen auch einigen Kompromissen zustimmen muss. Die neue Verfassung wird daher auch Bismarcksche Reichsverfassung genannt. | |
Zusammen mit der Position des preußischen Ministerpräsidenten und dem Amt des Außenministers hat Bismarck als norddeutscher Bundeskanzler nun eine überaus starke Machtstellung inne. Im konstituierenden Reichstag (Februar bis April 1867), dem verfassungsvereinbarenden Gremium, gelingt es den Nationalliberalen zwar, Bismarck noch einige Zugeständnisse abzuringen. Doch der Militäretat wird weitgehend dem parlamentarischen Einfluss entzogen. Weder Kanzler noch andere Regierungsmitglieder können vom Reichstag zu Fall gebracht werden. Insgesamt ist Bismarck den liberalen Forderungen weit entgegengekommen, er hat aber auch alles dafür getan, zu verhindern, dass aus dem konstitutionellen ein parlamentarisches System wird. Die inneren Veränderungen gehen aber weit über die Verfassung hinaus. Sie umfassen die allgemeine Rechtsordnung, die Wirtschafts- und Sozialverfassung bis hin zur Verwaltungsstruktur. Bei allen Mängeln ist doch bemerkenswert, dass unter der Verantwortung Bismarcks, der kurze Zeit zuvor noch allgemein als Erzkonservativer gegolten hatte, ein für die Zeit sehr modernes Staatswesen entsteht. In weiten Bereichen entspricht dieses liberalen Vorstellungen. Die eigentliche Umsetzung liegt in anderen Händen. Insbesondere Rudolph von Delbrück ist hier eine prägende Persönlichkeit. Dennoch ist Bismarcks persönlicher Einfluss nicht zu unterschätzen. Zwar werden mit den süddeutschen Staaten Schutz- und Trutzbündnisse abgeschlossen, aber der Norddeutsche Bund erweist sich nicht als der von Bismarck erhoffte Magnet, der zu einem Anschluss der noch fernstehenden deutschen Länder führt. Die Wahlen zum Zollparlament gewinnen in Bayern und Württemberg Gegner eines Anschlusses. Bismarck ist der Meinung, dass nur eine äußere Bedrohung die Stimmung in seinem Sinn verändern könnte. Allerdings versucht er nicht, eine konkrete Bedrohungssituation selbst herbeizuführen. Zwar hält er es für wahrscheinlich, dass die deutsche Einigung gewaltsam gefördert werden muss, aber „ein willkürliches, nur nach subjektiven Gründen bestimmtes Eingreifen in die Entwicklung der Geschichte hat immer nur das Abschlagen unreifer Früchte zur Folge; und dass die deutsche Einheit in diesem Augenblick keine reife Frucht ist, fällt meines Erachtens ins Auge.“ Außenpolitisch rechnet Bismarck von Seiten Frankreichs mit dem stärksten Widerstand gegen einen deutschen Nationalstaat. In der französischen Öffentlichkeit wird unter der Losung „Rache für Sadowa“ (Königgrätz) territoriale Forderungen gestellt, die zur Luxemburgkrise führen. | |
Mit der Neutralisierung Luxemburgs wird die "Luxemburgkrise" durch Bismarck gelöst. Dieser nutzt die Gelegenheit, durch Parlamentsreden und in Presseartikeln die antifranzösische Stimmung zu verstärken. Napoléon III. sieht den Ausgang des Konflikts als Niederlage an und tut danach alles, um weitere preußische Ambitionen zu unterbinden. Unklar ist, ob Bismarck tatsächlich bereit ist, den Erwerb Luxemburgs durch Frankreich zu akzeptieren und nur die Umstände dies verhindern, oder ob das Ergebnis der Krise seinem bewussten Kalkül entspringt. Unabhängig davon stehen sich der Norddeutsche Bund und Frankreich nun in aller Schärfe gegenüber. | |
Ein weiterer Konflikt mit Frankreich entsteht im Laufe der spanischen Thronfolge-Frage. Bismarck drängt Prinz Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen zur Kandidatur. Der Prinz entstammt der katholischen Linie der in Preußen regierenden Hohenzollern, was ihn für Frankreich unannehmbar macht. Bismarck geht es zunächst nur darum, einen diplomatischen Sieg zu erringen und sich dabei mehrere Möglichkeiten offen zu halten. Sowohl Bismarck als auch Kaiser Napoléon III. wollen für sich einen Ansehensverlust verhindern, so dass der diplomatische Konflikt zu einer nationalen Frage eskaliert. | |
In Frankreich erzielt die Hohenzollernkandidatur die von Bismarck erhoffte Wirkung, befürchtet man dort doch, künftig von hohenzollerschen Staaten eingekreist zu werden. Die Krise scheint durch den Verzicht des Prinzen zunächst entschärft. König Wilhelm I. weist jedoch das Verlangen Frankreichs zurück, er solle im Namen des Hauses Hohenzollern auch für alle Zukunft auf ähnliche Kandidaturen verzichten. Der König informiert Bismarck darüber in der sogenannten Emser Depesche. Dieser nutzt die Gelegenheit, redigiert die Depesche so, dass ihr Tenor verschärft wird und gibt sie dann an die Presse weiter. Napoléon III. wird damit vor aller Welt brüskiert. Angesichts der Reaktionen in der französischen Öffentlichkeit sieht er keine andere Wahl mehr, als Preußen den Krieg zu erklären. Damit erscheint Frankreich, wie von Bismarck beabsichtigt, als Aggressor. In Deutschland ist die öffentliche Meinung nun ganz auf Seiten Preußens und die süddeutschen Staaten sehen den Bündnisfall als gegeben an. Dagegen ist Frankreich außenpolitisch völlig isoliert. | |
Der Deutsch-Französische Krieg scheint zunächst nach gewohntem Muster eine rasche Entscheidung zu bringen. Infolge der Gefangennahme Napoléons III. bei der Schlacht von Sedan bricht das Zweite Kaiserreich zusammen. Zu einem schnellen Friedensschluss kommt es allerdings nicht, weil die deutsche Seite, mit Bismarck in führender Rolle, die Abtretung von Elsass-Lothringen zur Bedingung macht. Diese territoriale Forderung wird auch unter dem Eindruck der öffentlichen Meinung in Deutschland gestellt. Kurzfristig führt dies dazu, dass die neu gebildete französische Regierung den Krieg nicht nur fortsetzt, sondern ihn sogar zu einem nationalen Volkskrieg erhebt. Langfristig werden die deutsch-französischen Beziehungen durch die Elsass-Lothringen-Frage schwer belastet. Die dauerhafte Schwächung Frankreichs entwickelte sich zu einem zentralen Ziel der Bismarckschen Außenpolitik. Der Ministerpräsident mischt sich während des Krieges wiederholt in die Entscheidungen der Militärs ein. Dies führt zu heftigen Konflikten mit der militärischen Führung, die ihren Höhepunkt anlässlich der Frage einer Belagerung oder Beschießung von Paris erreichten. Hier setzte Bismarck sich mit seiner Forderung nach einer Beschießung durch. | |
Der Deutsch-Französische Krieg drängt die Gegner der deutschen Vereinigung auch in Süddeutschland in die Defensive. Seit Mitte des Monats verhandelt Bismarck in Versailles mit den Delegationen der süddeutschen Länder. Mit einem Bündnis der deutschen Fürsten und freien Städte soll nicht zuletzt weitergehenden Vorstellungen des nationalen und liberalen Lagers begegnet werden. Bei den Verhandlungen verzichtet Bismarck auf direkten Druck und argumentiert stattdessen mit den Vorteilen eines solchen Zusammenschlusses. Insgesamt setzt er seine Vorstellungen durch. | |
Als Erste erklären Baden und Hessen-Darmstadt ihren Beitritt zum Norddeutschen Bund. Württemberg und Bayern machen den Weg zur Gründung des Deutschen Reiches frei, nachdem ihnen Reservatsrechte zugebilligt wurden. Bismarck selbst verfasst den Kaiserbrief, mit dem König Ludwig II. von Bayern den preußischen König Wilhelm I. um die Annahme der Kaiserkrone bittet. In diesem Zusammenhang besticht Bismarck den bayerischen König auch mit Mitteln aus dem Welfenfonds. Nur mit Mühe gelingt es ihm allerdings, König Wilhelm, der einen Bedeutungsverlust des preußischen Königtums befürchtet, zur Annahme des Kaisertitels zu bewegen. | |
Im Spiegelsaal von Versailles kommt es zu einer deutschen „Kaiserproklamation“. Sie markiert die Gründung des Deutschen Kaiserreichs. Wenige Tage später wird Paris kapitulieren. | |
Der Deutsch-Französische Krieg endet mit dem Frieden von Frankfurt. Bismarck hat damit den Höhepunkt seiner politischen Laufbahn erreicht. Er wird in den Fürstenstand erhoben und Wilhelm I. machte ihm den Sachsenwald in der Nähe Hamburgs zum Geschenk. Bismarck gehört nunmehr zu den großen Grundbesitzern des Reiches und ist, auch dank der geschickten Verwaltung seiner Gelder durch Gerson Bleichröder, ein reicher Mann. Den Großteil seines Vermögens erwirtschaftet er über den Verkauf des Holzes aus dem Sachsenwald. Bismarck erwirbt ein ehemaliges Hotel in Friedrichsruh im Sachsenwald und lässt es umbauen. Von jetzt an wird Friedrichsruh zum Mittelpunkt seines Privatlebens. Das neue Kaiserreich übernimmt weitgehend die Verfassung des Norddeutschen Bundes. Als Reichskanzler, Vorsitzender des Bundesrates, preußischer Ministerpräsident und Außenminister bleibt Bismarck so der dominierende Politiker. Darüber hinaus kann er auf sein ungeheures Prestige als Gründer des Reiches bauen. Dieses wiegt auch gegenüber Wilhelm I. schwer, sodass Bismarck seinen Willen gegenüber dem Deutschen Kaiser meist durchsetzen kann. Wilhelm klagt daher später: „Es ist nicht leicht unter einem solchen Kanzler Kaiser zu sein.“ Bismarck wird zum Generalleutnant befördert. | |
Als das preußische Herrenhaus sich weigerte, einer Reform der Kreisordnung zuzustimmen, veranlasst Bismarck Kaiser Wilhelm I. dazu, zusätzliche Herrenhausmitglieder zu ernennen, um mit Hilfe dieses „Pairsschubes“ das Gesetz durchzubringen. Die Empörung bei den Konservativen ist groß und Roon sprach gar von einem Staatsstreich. Dies führt zum Rücktritt Bismarcks vom Posten des preußischen Ministerpräsidenten zu Gunsten Roons. Da dieser sich dem Amt jedoch nicht gewachsen zeigt, wird Bismarck es nach kurzer Zeit wieder selbst übernehmen. So sehr Bismarck auch von Leidenschaft zur Politik und der Liebe zur Macht durchdrungen ist, so sehr sehnt er sich inzwischen gleichzeitig nach einer Befreiung von dieser Last: „Mein Öl ist verbraucht, ich kann nicht mehr.“ Bismarck ist in den Jahren seiner Kanzlerschaft nicht nur psychisch belastet, sondern auch körperlich stark angeschlagen. Immer öfter muss er sich deswegen teilweise für Monate auf seine Güter zurückziehen. | |
Bismarck wird zum General der Kavallerie ernannt. | |
Während des Berliner Kongresses zur Beendigung der Balkankrise präsentiert sich Bismarck als „ehrlicher Makler“. Dies verstärkt zwar sein außenpolitisches Prestige auch im Ausland, es zeigen sich aber auch sofort die Grenzen seines Konzepts. Zar Alexander II. macht Bismarck dafür verantwortlich, dass Russlands Erfolge eng begrenzt bleiben. Dies führt dazu, dass Bismarck die Zusammenarbeit mit Österreich forciert. | |
Die im Vorjahr begonnene neue Zusammenarbeit mit Österreich mündet in den "Zweibundvertrag". Aus diesem Defensivbündnis gegenüber Russland wird eine dauerhafte Allianz, die die Außenpolitik während des gesamten Kaiserreiches prägen wird. Bismarck selbst stilisierte die Verbindung als eine Art zeitgemäße Neuausgabe des Deutschen Bundes und als „Bollwerk des Friedens über lange Jahre hinaus. Populär bei allen Parteien, exklusive Nihilisten und Sozialisten.“ Da Bismarck im Überfluss isst und trinkt wird er immer dicker und wiegt inzwischen 247 Pfund, bei einer Körpergröße von 1,90 Meter. Er leidet unter zahlreichen teils chronischen Krankheiten wie Rheuma, Venenentzündungen, Verdauungsstörungen, Hämorrhoiden und vor allem unter Schlaflosigkeit, hervorgerufen durch Völlerei. Neben dem Konsum von Alkohol und Tabak berichten Zeitgenossen wie die Baronin Hildegard von Spitzemberg auch von der Einnahme von Morphium. | |
Bismarck gelingt es, die Spannungen zwischen Deutschland und Russland abzubauen und das "Dreikaiserbündnis" abzuschließen. Damit verhindert er zunächst eine enge Verbindung Russlands mit Frankreich. Im privaten Leben Bismarcks spielt die Familie eine große Rolle. Aber auch in diesem Bereich setzt er stets seinen Willen durch. Als sein Sohn Herbert von Bismarck die geschiedene Fürstin Elisabeth zu Carolath-Beuthen heiraten will – eine Katholikin, die mit zahlreichen Bismarck-Gegnern, etwa Marie Gräfin Schleinitz, verwandt und verschwägert ist – verhindert Bismarck dies letztlich, indem er ihm erst mit Enterbung, dann mit Selbstmord drohte. Herbert fügt sich, wird jedoch zeitlebens zu einem verbitterten Mann. | |
Bismarck gelingt die Schaffung eines Bündnissystems durch den Dreibund zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien. | |
Rumänien wird Mitglied des 1879 zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn geschaffenen "Zweibundes". | |
Mitte der 1880er-Jahre scheint Bismarck die diplomatische Absicherung des Reichs erfolgreich abgeschlossen zu haben. Das Konzept der Saturiertheit wird jedoch durch die imperialistischen Tendenzen der Zeit immer mehr in Frage gestellt. Bismarck selbst ist eigentlich Gegner kolonialer Erwerbungen. Auch in Deutschland bildet sich eine imperialistische Bewegung, die auf den Erwerb von Kolonien drängt. Deren Druck kann sich Bismarck nicht auf Dauer entziehen. Verschiedene innen- und außenpolitische Gründe führen zu einem Sinneswandel des Reichskanzlers. Dabei spielt auch die von ihm gefürchtete Thronübernahme des liberalen, englandfreundlichen Kronprinzen Friedrich Wilhelm eine Rolle. Da der Erwerb von Kolonien die Beziehungen zu Großbritannien verschlechtern müsste, habe die Kolonialpolitik, „nur den Zweck, einen Keil zwischen den Kronprinzen und England zu treiben.“ Bismarck kommt schließlich zu der Überzeugung, dass eine erfolgreiche Kolonialpolitik doch mehr Chancen als Risiken birgt. | |
1884 und 1885 kommt es zum Erwerb mehrerer Territorien in Afrika und im Stillen Ozean. Da sich die innenpolitischen Konstellationen in Frankreich und Großbritannien ändern, verliert Bismarck jedoch schnell das Interesse an deutscher Kolonialpolitik. Sie bleibt für ihn zunächst eine Episode. Ernst Schweninger, der neue Arzt Bismarcks, kann ihn in den 1880er-Jahren zu einer gesünderen Lebensweise überreden. Zuvor litt der Fürst unter Gesichtneuralgien, weshalb er sich vor Schweningers Behandlung einen Vollbart wachsen ließ, damit er sich nicht rasieren musste. | |
In der zweiten Hälfte der 1880er-Jahre wird Bismarcks außenpolitisches System zunehmend bedroht. In Frankreich nehmen die revanchistischen Tendenzen zu. Zeitweilig droht ein französisch-russisches Bündnis und damit die Gefahr eines Zweifrontenkriegs für das Deutsche Reich. Bismarck bauscht die Krise mit Frankreich allerdings auf, um seine innenpolitischen Pläne zur Heeresverstärkung durchsetzen zu können.
Fast zeitgleich entsteht eine neue Balkankrise. Bismarck versucht vergeblich, die Spannungen zwischen den beiden Kontrahenten Österreich und Russland auszugleichen. Das Dreikaiserbündnis zerbricht. In Russland nehmen daraufhin die Stimmen für ein Bündnis mit Frankreich weiter zu. Probleme durch die Schutzzollpolitik Bismarcks verschärfen die Situation. In Deutschland plädieren einflussreiche Persönlichkeiten aus Militär und Diplomatie wie Friedrich von Holstein, Helmuth Karl Bernhard von Moltke und Alfred von Waldersee für einen Präventivkrieg gegen Russland. Bismarck lehnt solche Ideen strikt ab. Er hält den Krieg weiter für vermeidbar. Als Macht- und Realpolitiker spielen nationalistische und sozialdarwinistische Vorstellungen für ihn keine Rolle. Zwar ist Bismarcks altes Bündnissystem zerbrochen, doch gelingt es ihm, die Krise noch einmal entschärfen. Auf dem Balkan weigert er sich, für England und Österreich „die Kastanien aus dem Feuer zu holen.“ Ohne mit Österreich zu brechen, geling es ihm, einen offenen Krieg zu verhindern. | |
Bismarck ist im Hintergrund am Zustandekommen der Mittelmeer-Entente zwischen Großbritannien, Österreich und Italien beteiligt. Ihr Ziel ist es, den russischen Expansionsdrang zu begrenzen. Kurze Zeit später schließt Bismarck mit Russland den Rückversicherungsvertrag ab, um Russland erneut an Deutschland zu binden. | |
Gegenüber dem Kolonialverfechter Eugen Wolf äußert Bismarck: „Ihre Karte von Afrika ist ja sehr schön, aber meine Karte von Afrika liegt in Europa. Frankreich liegt links, Russland liegt rechts, in der Mitte liegen wir. Das ist meine Karte von Afrika.“ Jedoch hat Bismarck ungewollt Kräfte freigesetzt, die sich in der Wilhelminischen Zeit nicht mehr beherrschen lassen werden. | |
Anlässlich seines Rücktritts vom Kanzleramt erfolgt die Ernennung Fürst Bismarcks zum Generaloberst der Kavallerie im Rang eines Generalfeldmarschalls.
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