Chronik 1945.06
Weltchronik der ersten Dekade des Juni 1945
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Hier geht es zu den Ereignissen der Monate des Jahres 1944 | Januar / Februar / März / April / Mai / Juni / Juli / August / September / Oktober / November / Dezember |
Hier geht es zu den Ereignissen der Monate des Jahres 1945 | Januar / Februar / März / April / Mai / Juni / Juli / August / September / Oktober / November / Dezember |
Deutschland / Vereinigte Staaten von Amerika (USA) / Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland / Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken / Französische Republik Die "New York Times" schreibt: „Die Sorge um das Erbe des Krieges sollte nicht verdecken, dass es zwei positive Entwicklungen in Europa gibt. Die erste ist, dass der Alliierte Kontrollrat, der Deutschland künftig regieren soll, "in den nächsten paar Tagen" zusammentreten soll. Die zweite ist die Nachricht vom Voranschreiten der Verfolgung der Kriegsverbrecher, was bereits zur Anklage von 2657 Hauptverbrechern, die meisten von ihnen Deutsche, geführt hat." | |
Deutschland / Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands beginnt die Aufstellung unbewaffneter lokaler Polizeikräfte. | |
Deutschland / Vereinigte Staaten von Amerika (USA) / Thüringen In Erfurt (Thüringen) wird von ehemaligen Mitgliedern der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) der Bund demokratischer Sozialisten gegründet. Vorsitzender wird Hermann Louis Brill. | |
Deutschland / Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland / Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Der britische Premierminister Winston Churchill mahnt den sowjetischen Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Josef Stalin, dass ein baldiges Zusammentreffen wichtig für die Einheit der Welt sei: „Ich werde gern nach Berlin kommen, doch bin ich der Meinung, dass der 15. Juli viel zu spät ist und dass wir den Hoffnungen und der Einheit der Welt Schaden zufügen, wenn wir zulassen, dass persönliche oder nationale Erfordernisse einer früheren Begegnung im Wege stehen. Obwohl ich in einem heißen Wahlkampf stehe, halte ich die hiesigen Aufgaben für nicht vergleichbar mit einem Treffen zwischen uns dreien.“ | |
Deutschland / Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland / Hansestadt Hamburg Im Hamburger Hafen werden wieder Schiffe be- und entladen. | |
Deutschland / Vereinigte Staaten von Amerika (USA) / Republik Österreich Die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) stellen ihre Fleischlieferungen in die von US-amerikanischen Truppen befreiten Länder ein, um die Versorgung ihrer eigenen Bevölkerung zu sichern. | |
Deutschland / Vereinigte Staaten von Amerika (USA) / Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland / Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken / Französische Republik / Berlin
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Deutschland / Vereinigte Staaten von Amerika (USA) / Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland / Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken / Berlin In der US-amerikanischen und in der britischen Besatzungszone Deutschlands wird unter dem Namen „German News Service” eine erste Nachrichtenagentur aufgebaut. | |
Deutschland / Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken / Ostpreußen Der deutsche Chirurg und Schriftsteller Hans Graf von Lehndorff schreibt in sein Tagebuch eine Begebenheit über einen Ausflug nach Königsberg: „Die Majorin bestellt ein Lastauto, mit dem fahren wir hinunter zur Stadt. Einer der Kollegen ist nicht einverstanden mit meinem Hut, mit dem könne man doch nicht in die Stadt fahren! Ich traue meinen Ohren nicht! Die Stadt! Ein grandioser Kehrrichthaufen. Und man selbst: ein kleiner Mistkäfer, der von einer Walze überrollt wurde und noch nicht begreifen kann, dass er am Leben geblieben ist. Aber schon ist der alte Spuk wieder zur Stelle, um dem Herrn Doktor vorzuschreiben, mit was für einer Kopfbedeckung er in die Stadt zu fahren hat. Das Leben erscheint wie ein einziger Witz.“ | |
Republik Österreich Heute wird die Erhöhung der Lebensmittelrationen in Wien wirksam. Das "Neue Österreich" registriert "Hochbetrieb in den Arbeitsnachweisstellen" und unterstreicht, dass auf den Arbeitsämtern unter österreichischer Ägide kein Befehlston herrscht. Nach verstärkter Anlieferung vom Land beginnt in einzelnen Bezirken die Ausgabe von Erdäpfeln, die im "Neuen Österreich" noch immer Kartoffeln genannt werden. - Die drei Parteien gründen den Verein "Volkssolidarität" für die Hilfe für Opfer des Faschismus und des Krieges. | |
Deutschland / Französische Republik / Baden Die französische Besatzungsmacht setzt in Baden ein deutsches Verwaltungs-Direktorium ein. | |
Deutschland / Vereinigte Staaten von Amerika (USA) / Hessen / Württemberg-Baden In Stuttgart und Frankfurt richten die US-Besatzungsbehörden mit dem „Südfunk” und mit „Radio Frankfurt” deutsche Rundfunksender ein. | |
Deutschland / Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland In Köln nimmt die städtische Müllabfuhr ihre Arbeit wieder auf. | |
Deutschland / Vereinigte Staaten von Amerika (USA) / Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland / Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken / Französische Republik Der "Kölnische Kurier" meldet: "Der Wiederaufbau beginnt! Deutsche Eisenbahner arbeiten unter alliierter Kontrolle mit größter Eile an der Wiederinstandsetzung des Eisenbahnnetzes. In der anglo-amerikanischen Besatzungszone ist bereits die Hälfte des Bahnnetzes wieder betriebsfähig. Auf der Strecke Leipzig-Paris verkehren bereits Züge, die in erster Linie dem Heimtransport französischer Arbeiter dienen." | |
Deutschland / Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken / Ostberlin
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Vereinigte Staaten von Amerika (USA) / Republik Österreich
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Deutschland / Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken / Polen (Lubliner Komitee) Die pommersche Hafenstadt Stettin an der Odermündung wird von der sowjetischen Regierung in polnische Verwaltung übergeben. | |
Deutschland / Vereinigte Staaten von Amerika (USA) / Thüringen Die US-amerikanische Besatzungsmacht setzt in Erfurt (Thüringen) den Sozialdemokraten Hermann Louis Brill zum ersten Ministerpräsidenten des Landes ein. | |
Königreich Italien In der italienischen Hauptstadt Rom verständigen sich Vertreter der sechs antifaschistischen Parteien über die Einsetzung von Provinz- und Gemeindeausschüssen des „Komitees der nationalen Befreiung”. | |
Deutschland / Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken / Berlin
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Republik Österreich
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Deutschland / Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland / Bremen In Bremen wird der Sozialdemokrat Wilhelm Kaisen von der britischen Besatzungsmacht zum Senator für Wohlfahrt ernannt. | |
Republik Österreich "Zu Beginn des heutigen Kabinettsrates," wird offiziell mitgeteilt, "leistete Staatskanzler Dr. Renner in die Hände des ältesten Staatssekretärs Buchinger die Angelobung, die folgenden Wortlaut hat: Ich gelobe, dass ich die Verfassung und die Gesetze der Republik Österreich unverbrüchlich beobachten und meine ganze Kraft in den Dienst des österreichischen Volkes und des Wiederaufbaues unserer schwergeprüften Heimat stellen werde. Im Anschluss nahm der Staatskanzler die Angelobung der übrigen Mitglieder des Kabinettsrates vor. Vor einer Versammlung des Wirtschaftsbundes erklärt Staatssekretär Raab die "Lösung der Transportfrage" zu einer Grundvoraussetzung für Erfolge beim Wiederaufbau. | |
Alliierter Kontrollrat für Deutschland / Vereinigte Staaten von Amerika (USA) / Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland / Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken / Französische Republik / Berlin
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Alliierter Kontrollrat für Deutschland / Vereinigte Staaten von Amerika (USA) / Hessen Die US-amerikanische Militärregierung bezieht das ehemalige Verwaltungsgebäude der I.G. Farbenindustrie in Frankfurt am Main. | |
Alliierter Kontrollrat für Deutschland / Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland Im Kurhaus von Bad Oeynhausen etabliert sich die britische Militärregierung in Deutschland. | |
Alliierter Kontrollrat für Deutschland / Französische Republik In Baden-Baden etabliert sich die französische Militärregierung. | |
Alliierter Kontrollrat für Deutschland / Republik Österreich Der ehemalige Reichsjugendführer Baldur von Schirach, der in einer Dienststelle der US-Militärregierung in Österreich als Dolmetscher Unterschlupf gefunden hatte, gibt sich zu erkennen und wird daraufhin verhaftet. | |
Republik Österreich Aus dem Ausland wird gemeldet: "Die Kontrollkommission in Berlin", "Verstaatlichung in der Tschechoslowakei", "Amerikanische Flotte in japanischen Gewässern". Die "Österreichische Zeitung" meldet in großer Aufmachung aus Berlin: "Unterzeichnung der Deklaration über die Niederlage Deutschlands und die Übernahme der obersten Gewalt durch die Vertreter der vier Alliierten Mächte". Für die Wiener Welt des Sports ist folgender Titel bezeichnend: "Der Fußballsport breitet sich aus". Die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse hat bereits wieder zu einer Steigerung des Zuschauerschnitts auf rund 5.000 Besucher pro Spiel geführt. Die Staatsoper spielt nun auch im Redoutensaal der Hofburg, Premiere ist "Wiener Blut" von Johann Strauß. | |
Republik Österreich / Kaiserreich Großjapan Die japanischen Truppen auf Neuguinea kapitulieren vor den australischen Streitkräften. | |
Vereinigte Staaten von Amerika (USA) Vor den Philippinen werden 19 US-Kriegsschiffe in einem Taifun beschädigt. | |
Alliierter Kontrollrat für Deutschland / Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken / Berlin Der Rat der Volkskommissare der UdSSR beschließt die Einrichtung einer „Sowjetischen Militäradministration in Deutschland” (SMAD). | |
Alliierter Kontrollrat für Deutschland / Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland / Bremen In Bremen tritt der neugebildete Senat zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen; Regierender Bürgermeister wird der Parteilose Erich Vagts. | |
Republik Österreich Unter dem Titel "Verpflichtung deutscher Arbeitskräfte" berichtet das "Neue Österreich" aus Paris: "Der französische Minister für Wiederaufbau hat eineinhalb Millionen deutsche Kriegsgefangene und Arbeiter für Wiederaufbauarbeiten angefordert. Weitere 250.000 Deutsche werden im Bergbau, in der Landwirtschaft und Industrie Verwendung finden". Nach einem Tagesbefehl von Generalleutnant Blagodatow wird die Ausgehzeit bis 22 Uhr verlängert. Sie reicht ab sofort von 4 bis 22 Uhr. Der zivile Lastwagenverkehr ist unbeschränkt zugelassen. Das Wiener Wohnungsamt kündigt eine "Erfassung der Wiener Wohn- und Geschäftsräume" in der Zeit zwischen 18. und 20. Juni an. Die Polizeidirektion räumt eine letzte Frist für die Rückgabe von "Plünderungsgut" ein und weist eigens darauf hin, dass auch diese Form der Entwendung strafbar ist. In Salzburg nimmt der Radiosender "Rot-Weiß-Rot" unter amerikanischer Leitung den Betrieb auf. | |
Alliierter Kontrollrat für Deutschland / Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland
Königreich Norwegen König Haakon kehrt nach Oslo zurück. Die US-Luftwaffe fliegt mit mehr als 400 B 29-Bombern einen Angriff auf die japanische Stadt Osaka. In der britischen Hauptstadt London wird die Oper „Peter Grimes” von Benjamin Britten uraufgeführt. In einer Meldung aus London wird die Frage ventiliert: "Hitlers Leiche gefunden?" In dem Zusammenhang berichtet das "Neue Österreich": "Eine russische Fahndungsabteilung hat in der Berliner Reichskanzlei eine verkohlte Leiche aufgefunden, die möglicherweise die Leiche Hitlers sein könnte. Reuter meldet, dass nach einer genaueren Untersuchung der Zähne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass es sich um die Leiche Hitlers handelt." Im Aufmacher auf Seite 1 behandelt das Blatt die Bestimmungen der Viermächtedeklaration unter dem Titel: "Die Folgen der Niederlage Deutschlands". Unter anderem bleibt die staatliche Autorität bei den Alliierten, wird das Land in vier Besatzungszonen aufgeteilt und kommt Groß-Berlin in die Hand aller vier Mächte. In Wien gibt es zusätzliche Lebensmittelzuteilungen von Käse, Obst und Gemüse. Für morgen wird die Abgabe von Milch für Kinder vom ersten bis zum dritten Lebensjahr in Aussicht gestellt. Die Schulferien in Wien werden auf die Zeit von 5. August bis 9. September festgelegt. In der VHS Ottakring gibt es eine Wildgans-Gedenkstunde und in der VHS Alsergrund eine Beethoven-Feier. Das britische Kommando ernennt einen demokratischen Landesausschuss für Kärnten mit Landeshauptmann Hans Piesch. Tagebuch Theodor Spitta - Bremen: Die Glückwünsche und die Aussprüche der Freude darüber, dass Apelt und ich wieder im Senat sind, sind beinahe peinlich. Es spielen offenbar Täuschungen mit über das, was wir für Bremen leisten können, wie überhaupt in der Bevölkerung keine Vorstellung davon besteht, wie abhängig der Senat von der US-Militärregierung ist. Überhaupt wird die Bevölkerung in staatsrechtlicher und wirtschaftlicher Beziehung, besonders auch in der Ernährungs- und Geldfrage, von Illusionen beherrscht.
8. Juni 1945 Ernst Freiherr von Weizsäcker, deutscher Gesandter beim Vatikan, muß auf Wunsch des Heiligen Stuhls seine Tätigkeit in Rom beenden. Der Oberbefehlshaber der polnischen Exilstreitkräfte im Westen, General Wladislaw Anders, tritt von seinem Posten zurück; Nachfolger wird der aus deutscher Kriegsgefangenschaft befreite General Tadeusz Bór-Komorowski, der 1944 den Warschauer Aufstand befehligt hatte. In Italien erklärt der christdemokratische Ministerpräsident Ivanoe Bonomi seinen Rücktritt. Damit ist die Koalitionsregierung der sechs antifaschistischen Parteien gescheitert. Der Oberbefehlshaber der US-amerikanischen Streitkräfte in Europa, General Dwight D. Eisenhower, hebt das Fraternisierungsverbot für US-Soldaten gegenüber deutschen Kleinkindern auf. Der Erzbischof von München und Freising, Michael Kardinal von Faulhaber, ruft in seiner Diözese zu einer Hilfsaktion auf, die unter dem Namen „Diakon” der hungernden Bevölkerung helfen soll. Die Bauern werden aufgerufen, zusätzliche Lebensmittel in die bayerischen Städte zu liefern. Unter dem Titel "Instandsetzung kriegsbeschädigter Wohnhäuser" veröffentlicht das "Neue Österreich" eine Stellungnahme des Stadtbauamtes zu dieser Kernfrage. Wörtlich heißt es: "Das Stadtbauamt ist bemüht, die Instandsetzung der durch Feindeinwirkung beschädigten Häuser so rasch wie möglich in die Wege zu leiten. Bei der Durchführung dieser Arbeiten wird der soziale Gesichtspunkt im Auge behalten, so dass naturgemäß in erster Linie die Wiederherstellung von Volkswohnungen in Frage kommt. Zur Durchführung dieser Arbeiten wurde ein städtisches Amt mit der Bezeichnung 'Kriegsschädenbehebung an Wohngebäuden', Wien, 1., Neues Amtshaus, Ebendorferstraße 1, eingerichtet, das mit den Aufnahmearbeiten bereits begonnen hat". Als Hauptaufgaben erweisen sich dabei die Beschaffung von Baustoffen und die Bereitstellung von Transportmitteln. Weiter heißt es: "Die Hauseigentümer werden aufgefordert, mit gewerbeberechtigten Sachverständigen den Schadenumfang an ihren Häusern festzustellen und in dem bezeichneten Amt um die Bewilligung zur Behebung der Schäden unter Angabe des Baustoffbedarfs anzusuchen. Diese Ansuchen werden in Dringlichkeitsstufen gereiht und nach Überprüfung an die zuständigen Baupolizeiabteilungen zur Erteilung der Baubewilligung weitergeleitet". Der Betrieb von Stadt- und Straßenbahn wird bis 21 Uhr ab Endstellen verlängert. Radio Wien muss im Auftrag der Besatzungsmacht eine tägliche Informationssendung "Russische Stunde" einführen. Die Zahl der festgenommenen faschistischen Häuptlinge wächst jeden Tag. In der Hand der Alliierten befinden sich bereits: Göring, Ley, Fritsche, Darré, Funk sowie Dönitz und seine "Minister". In Haft genommen wurden auch solche Henker europäischer Völker wie Frank, Seiß-Inquart, von Neurath u. a.
9. Juni 1945 Der Oberbefehlshaber der 1. Weißrussischen Front, Marschall Georgi K. Schukow, gibt durch den Befehl Nr. 1 die Einrichtung der „Sowjetischen Militäradministration in Deutschland” (SMAD) mit Sitz in Berlin bekannt. In Belgrad schließen Vertreter der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Jugoslawiens ein Abkommen über die militärische Verwaltung der italienischen Provinz Venezia Giulia und der Hafenstadt Triest durch einen alliierten Befehlshaber. In Berlin werden von der Abteilung für Post- und Fernmeldewesen des Magistrats die ersten Nachkriegsbriefmarken zu Werten von 0,05 Reichsmark (RM) und 0,08 RM ausgegeben. Die Wiener Handelskammer stellt zur Funktion des "öffentlichen Verwalters" klar, dass er "nicht etwa Eigentümer des ihm zugewiesenen Unternehmens wird, sondern es im öffentlichen Interesse mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nach den Weisungen des zuständigen Staatsamtes zu verwalten hat." Unter dem Titel "Wienerwald in größter Gefahr" wird berichtet: "Die Schlägerungen im Wienerwald nehmen täglich größere Ausmaße an. Wenn es so weitergeht, wird in wenigen Tagen kein geschlägertes trockenes Brennholz für die Betriebe vorhanden sein. Es folgt der Herbst, es kommt der Winter. Was dann?" In einem Aufruf der Hochschülerschaft wird zum Einsatz bei der Erbsenernte in Stadlau aufgefordert. Darin heißt es wörtlich: "Es werden in Zukunft nur solche Studentinnen und Studenten zu Arbeit und Verdienst vermittelt, in den verschiedenen Mensen verpflegt werden oder Studienbeihilfen erhalten, die sich jetzt für wenige Tage zur Verfügung stellen." Die Linie 360 nimmt den Vollbetrieb zwischen Mauer und Mödling auf. In der Welt des Sportes wird "Friedensbetrieb im Fußball" konstatiert. Anlass ist die Austragung der ersten Runde im "Befreiungspokal". In diesem Rahmen gastiert Rapid erstmals wieder beim FC Wien in Favoriten. Befehl Nr. 1 der SMAD - 1. Zur Verwaltung der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland wurde die Sowjetische Militärische Administration gebildet. 2. Zum Obersten Chef der SMAD wurde ich ernannt. Zum ersten Stellvertreter des Obersten Chefs der Militärischen Administration wurde Armeegeneral W. D. Sokolowski ernannt. 3. Der Standort der SMAD ist die Stadt Berlin. Marschall G. K. Schukow.
10. Juni 1945 JAPANS KRIEG MIT Vereinigte Staaten von Amerika (USA) Die Amerikaner landen mit einer zweiten Gruppe auf Borneo. Durch Befehl Nr. 2 der Sowjetischen Militäradministration werden in der sowjetischen Besatzungszone Parteien und Gewerkschaften zugelassen. Der Oberbefehlshaber der britischen Besatzungstruppen in Deutschland, Feldmarschall Bernard Law Montgomery, richtet eine Botschaft an das deutsche Volk, in der er das Kontaktverbot zwischen britischen Soldaten und deutscher Zivilbevölkerung bekräftigt. In Potsdam bei Berlin wird die „Gruppe der Sowjetischen Besatzungsstreitkräfte in Deutschland” (GSBD) gebildet. Sie untersteht dem Befehl von Marschall Georgi K. Schukow. In einer Reportage über die Versorgungslage in Wien schreibt die "Österreichische Zeitung": "Es muss als Mangel festgehalten werden, dass es bis heute noch nicht gelungen ist, dem Lagerhaus der Stadt Wien die erforderliche Anzahl von 300 Arbeitern zu sichern. Tagtäglich ist die Leitung dieses Hauptumschlagplatzes der Lebensmittel im Ungewissen, ob sie die nötigen Arbeitskräfte bekommt, um den ihr gestellten Aufgaben gerecht werden zu können". Das "Neue Österreich" berichtet über den - noch stark eingeschränkten -Personenzugsverkehr, der von Wiener Bahnhöfen ausgeht. Fahrgäste hängen in Trauben auf den Trittbrettern und sitzen auf den Waggondächern. In Verbindung mit der schrittweisen Ausdehnung der Eisenbahnaktivitäten kommt auch der Postdienst wieder in Gang. Eine einschlägige Meldung trägt den Titel: "Briefe bis St. Valentin, Tulln und Wr. Neustadt". Unter der Überschrift "Schmerzenskind Telephon" wird berichtet: "Ein besonderes Schmerzenskind ist das Telephon. 140.000 Leitungen sind zerstört. Ebenso sind die Kabel, die die Verbindungen mit den außerhalb Wiens liegenden Orten herstellen, an vielen Stellen unterbrochen. Nahezu 1.100 Arbeiter arbeiten Tag und Nacht an der Instandsetzung dieser Schäden....Das nach Westen laufende Fernkabel konnte vor wenigen Tagen, vorerst bis nach St. Pölten, in Betrieb gesetzt werden, und im Laufe des Monats dürfte es gelingen, dieses Kabel bis Amstetten zu reparieren". 11. Juni 1945 Das Saarland wird auf Anordnung der französischen Besatzungsmacht zu einem eigenständigen Regierungsbezirk umgewandelt. Die Ravag in Wien eröffnet unter Mitwirkung von Spitzenvertretern der provisorischen Regierung den ins Ausland gerichteten Kurzwellendienst. Staatskanzler Renner und die von den drei demokratischen Parteien gestellten Vizekanzler nehmen die Gelegenheit wahr, um "vor aller Welt" eine deutliche Grenzziehung zur Vergangenheit vorzunehmen und den fortschrittlich-demokratischen Charakter der Zweiten Republik zu unterstreichen. Das Zentralernährungsamt gibt bekannt: "Für die Ausgabe der nächsten Lebensmittelkarten sind schon jetzt neue Haushaltslisten anzulegen. Die Hausbevollmächtigten haben die Listenformulare morgen in den Kartenstellen zu beheben und die Listen sofort in zweifacher Ausfertigung anzulegen. Auszufüllen sind nur die Spalten 1 bis 6. In den Haushaltslisten sind alle derzeit im Hause wohnhaften und polizeilich gemeldeten Personen ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit (also auch Ausländer) aufzunehmen. Personen, die nicht hausbekannt sind, müssen vor Aufnahme in die Liste neben dem polizeilichen Meldeausweis einen Reisepass oder eine als Pass geltende Bescheinigung vorweisen. Die ausgefüllten Haushaltslisten samt Zweitschrift sind im Laufe des Donnerstag, 14. Juni, der Kartenstelle abzuliefern. Die von den Wohnparteien beigebrachten Bescheinigungen über die Art der Beschäftigung sind den Haushaltslisten anzuschließen, soweit solche nicht schon in der Kartenstelle abgegeben worden sind. Der Ausgabetermin der Haushaltslisten ist unbedingt einzuhalten, weil davon die rechtzeitige Ausgabe der nächsten Lebensmittelkarten abhängig ist." Das französische Oberkommando ernennt einen Landesausschuss für Vorarlberg mit Landeshauptmann Ulrich Ilg. Vorarlberg, das die Nazi zu einem Teil Tirols gemacht hatten, ist damit als eigenständiges Bundesland wiederhergestellt. Plakatanschlag in Telgte - Am Montag, dem 11. Juni 1945, abends 8 Uhr, findet im Saale des Gastwirts Ferdinand Stumpe, eine große öffentliche Volksversammlung statt. Es spricht ein polnischer Offizier über "Konzentrationslager in Deutschland". Zu dieser Volksversammlung werden die gesamten Einwohner von Stadt und Kirchspiel Telgte eingeladen. - Eintritt frei! Wibbelt, Amtsbürgermeister des Amtes Telgte.
12. Juni 1945 Auf Befehl der britischen Militärregierung wird in Obernkirchen ein Zentralamt für Ernährung und Landwirtschaft unter Leitung von Hans Schlange-Schöningen errichtet. Gemäß einem Erlaß der US-amerikanschen Militärbehörden müssen deutsche Bibliotheken, Verlage und Buchhandlungen Lizenzen beantragen. Das "Neue Österreich" veröffentlicht "Die erste Liste der Wiener Opfer des Naziterrors". Dazu wird wörtlich ausgeführt: "Nachstehend bringen wir 206 Namen von Opfern des Naziterrors in Wien. Die Angehörigen dieser Toten erhalten nun endlich die Möglichkeit, die Grabstätten auf dem Wiener Zentralfriedhof aufzufinden. Die neben den Namen stehenden Zahlen (zum Beispiel: Anthofer Karl, 40, 30, 9/III) bedeuten der Reihe nach: Gräbergruppe, Gräberreihe, Grabnummer." Gegliedert ist die Liste nach dem Hinrichtungs- bzw. Begräbnisdatum. In einer anderen Meldung wird zu "Sicherheitsmaßnahmen bei kriegsbeschädigten Gebäuden" aufgerufen. Grund- bzw. Hauseigentümer seien für allfällige Personenschäden haftbar. Alle Mitglieder der ehemaligen NSDAP müssen sich beim Arbeitsamt melden. Der Ministerrat beschließt die Wiederherstellung der österreichischen Rechtsordnung. 13. Juni 1945 Als erste der im sowjetisch besetzten Gebiet Deutschlands zugelassenen Parteien wendet sich die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) mit einem Gründungsaufruf an die Öffentlichkeit. Als erste deutsche Parteizeitung erscheint in der sowjetischen Besatzungszone das kommunistische Organ „Deutsche Volkszeitung”. Auf Anweisung der tschechoslowakischen Regierung werden die deutschen Schulen des Landes geschlossen. Im "Neuen Österreich" erscheint ein Leitartikel, der den Titel "Politikmüdigkeit?" trägt. In einem Bericht über eine Vertrauensleutekonferenz des ÖAAB wird aus der Rede von Vizebürgermeister Kunschak unter anderem folgende Passage zitiert: Man müsse verstehen, "dass wir jetzt in einer Einheitsbewegung stehen, dass das, was sich früher bekämpft hat, nun einmütig zusammenstehen soll. ... Die Situation, in der wir jetzt stehen, ist noch kritischer als 1919 und noch schwerer zu begreifen. Dennoch muss sie gemeistert werden und sie kann es nur auf dem Boden der demokratischen Einigung." Die geplante Erfassung der Wohn- und Geschäftsräume in Wien hat in Teilen der Bevölkerung Misstrauen ausgelöst. In einer Mitteilung gibt das Rathaus bekannt: "Die am 18. Juni beginnende Wohnungsbegehungsaktion wird streng in dem Rahmen und mit den Personen durchgeführt, die zwischen den drei Parteien, ..., vereinbart wurden. Um jede Beunruhigung der Bevölkerung hintanzuhalten, wird dazu mitgeteilt, dass es sich lediglich um die Erfassung des noch in Wien vorhandenen Wohn- und Geschäftsraumes handelt. Die Kommissionen haben weder Beschlagnahme noch sonst irgendwelche Amtshandlungen durchzuführen." Ferner wird gemeldet: "Bunte Tulpen am Rennweg", "Im Herbst wieder Konzerte im Musikvereinssaal", "Erste Bahnveranstaltung der Leichtathleten". Die Wiener Polizeidirektion übernimmt wieder die Leitung des gesamten Polizeidienstes in Wien. Die Beamten dürfen keine Schusswaffen tragen. 14. Juni 1945 JAPANS KRIEG MIT Vereinigte Staaten von Amerika (USA) Die Amerikaner landen mit einer ersten Gruppe auf Truk. In Berlin tagt zum ersten Mal ein vorbereitender Gewerkschaftsausschuß zur Gründung einer Einheitsgewerkschaft für die sowjetische Zone. Die tschechoslowakische Regierung erhebt territoriale Ansprüche auf das Gebiet von Glaz (Schlesien), das Hultschiner Ländchen und das Gebiet von Ratibor. Zwischen dem US-amerikanischen Präsidenten Henry Spencer Truman und dem sowjetischen Staats- und Parteichef Josef W. Stalin findet ein Telegrammaustausch über die Modalitäten der Besetzung der von der Roten Armee eroberten ehemaligen Reichshauptstadt Berlin durch die westalliierten Truppen statt. Aufgrund einer Lockerung des Fraternisierungsverbots erhalten britische Besatzungssoldaten in Deutschland die Erlaubnis, mit kleinen Kindern zu sprechen. Der ehemalige Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop, der unter falschem Namen aus Berlin entkommen war, wird in einer Hamburger Pension von britischen Soldaten festgenommen. In Berlin werden bei einer ersten Razzia auf einem Schwarzmarkt in der Nähe des Brandenburger Tores 429 Personen festgenommen. In Rostock findet die Uraufführung des Theaterstücks „Kaffeehaus Payer” der deutschen Exilschriftstellerin Hedda Zinner statt. Das "Neue Österreich" macht mit einer Sensation auf: "Die Kartothek der 'Ostmark'-Pg. gefunden - Unterlagen für die Kontrolle der Registrierungen". Während die österreichischen Behörden sich mit wenig Erfolg um die Registrierung der Nazi bemühen, haben die US-Militärbehörden in München das "Braune Haus" durchsucht und dabei "auch die Kartothek 'Ostmark' mit sämtlichen Parteigenossen und Parteianwärtern sichergestellt". In dem Pressebericht heißt es weiter: "Diese Kartothek ist für Österreich deshalb so wichtig, weil sie nicht nur in lückenloser Folge die Namen nennt, sondern auch vermerkt - zumeist auf Grund der eigenen Angaben der Pg. (=Parteigenossen) -, welche Tätigkeit sie innerhalb der Partei vor 1938 innehatten. Weiters sind in den Karteiblättern alle Funktionen aufgezählt und schließlich alle Dienste, die sie der Partei geleistet haben. Die Kartothek wird in Kürze nach Wien gebracht und wird hier bei der Feststellung der Nazi wertvolle Dienste leisten." In einer weiteren Folge der Leserbriefserie "Der Ruf nach dem eisernen Besen" erscheint ein Hinweis darauf, dass das ehemalige Maria-Theresia-Kino immer noch Ostmark-Kino heißt. 15. Juni 1945 JAPANS KRIEG MIT Vereinigte Staaten von Amerika (USA) Die Amerikaner landen mit einer zweiten Gruppe auf Truk. Somit sind die Philippinen mit ihren südlichen Rohstoffgebieten und kleineren Inseln zurück erobert. Das japanische Hauptquartier des Feldmarschalls Terautschi wird nach Saigon verlegt. In Berlin konstituiert sich die Parteiführung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) in der sowjetischen Zone; Vorsitzender wird Otto Grotewohl. Zwischen dem britischen Premierminister Winston Churchill und dem sowjetischen Staats- und Parteichef Josef W. Stalin findet ein Telegrammwechsel über die bevorstehende Besetzung Berlins durch die Westmächte statt. In der französischen Besatzungszone Deutschlands wird das Land Rheinland-Hessen-Nassau mit der Hauptstadt Koblenz gebildet. Zum Regierungspräsidenten wird Wilhelm Boden ernannt. Das Hauptquartier der Abteilung für psychologische Kriegführung der US-Streitkräfte zieht von Paris nach Frankfurt am Main um. Die Militärbehörde ist u.a. für die Lizensierung deutscher Zeitungen zuständig. Großbritannien, die Sowjetunion und die Vereinigte Staaten von Amerika (USA) haben sich auf Zeit und Ort der geplanten Dreimächtekonferenz geeinigt. Details werden erst bei Beginn der Beratungen bekannt gegeben. In London beginnt die "Alliierte Welternährungskonferenz". Dabei teilt der britische Ernährungsminister mit, dass trotz der Bezugsbeschränkung in England und Amerika unter anderem 1,5 Millionen Tonnen Zucker, 1 Million Tonnen Fett und 2,5 Millionen Tonnen Fleisch fehlen. Die sowjetische Militärverwaltung in Deutschland hat in einem Tagesbefehl "die Bildung und Betätigung aller antifaschistischen Parteien gestattet". In Wien sind "Schuhe für Frauen" zu haben. Dazu berichtet das "Neue Österreich": "Es gelangen Frauenschuhe zum Verkauf. Die Ausgabe erfolgt an in Wien wohnende erwachsene weibliche Personen, wobei die Käuferin ihre gültige Lebensmittelkarte und ihre vierte Reichslederkarte vorzuweisen hat, deren namentliche Übereinstimmung vom Verkäufer zu kontrollieren ist. Verkauft wird ein Paar leichte Straßenschuhe mit Gummi-, Werkstoff- oder Holzsohle nach Maßgabe der vorhandenen Vorräte." Ferner meldet das Blatt: " 'Jedermann' im Burgtheater erneuert" und "Ballettabend der Staatsoper". Das Dianabad nimmt seinen Betrieb wieder auf, nachdem die Beschäftigten einen Teil der Kriegsschäden in Eigenregie beseitigt haben. Hinter der ausgebrannten Fassade ist allerdings nur der Männertrakt benützbar, die Geschlechtertrennung in den Duschbereichen ist deshalb aufgehoben. 16. Juni 1945 Zwischen dem US-amerikanischen Präsidenten Henry Spencer Truman und dem sowjetischen Staats- und Parteichef Josef W. Stalin werden Telegramme ausgetauscht, in denen beide Staatsmänner sich über die Räumung der von US-Truppen besetzten Teile der sowjetischen Besatzungszone verständigen. Die US-Militärregierung in Deutschland ordnet die Entlassung aller deutschen Beamten, Angestellten und Arbeiter aus dem öffentlichen Dienst an, die bereits vor 1933 der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) oder anderen nationalsozialistischen Organisationen angehörten. Auf Anordnung der US-amerikanischen Militärregierung muß die Flagge der Vereinigten Staaten von der deutschen Bevölkerung fortan mit abgenommener Kopfbedeckung gegrüßt werden. In Berlin kommt der sowjetische Stadtkommandant, Generalleutnant Nikolai E. Bersarin, bei einem Motorradunfall ums Leben. Das "Neue Österreich" meldet: "Vereinigte Staaten von Amerika (USA)-Kleidersammlung für Europa". In einem Artikel mit dem Titel "Kehrichtabfuhr und Verkehrsproblem" heißt es unter anderem: "Durch die seit Jahren verschlampte und seit mehr als einem halben Jahr eingestellte Abfuhr des Kehricht und durch die furchtbaren Bombenschäden haben sich in den Wiener Straßen etwa 200.000 Kubikmeter Kehricht und Schutt angesammelt, die sich täglich um 1.000 Kubikmeter vermehren. Mangel an Transportmittel und Unterbrechung der Zugänge zu den Deponien am linken Donauufer verhindern eine rasche Lösung des Problems." Kleinkinder über einem Jahr bekommen ab sofort - später als ursprünglich vorgesehen - wieder Milch zugeteilt. Die Ration für Ein- bis Dreijährige beträgt zunächst einen Achtelliter pro Tag. Der Wiener Magistrat appelliert: "Baut Karotten für Kleinkinder!" In dem Aufruf heißt es: "Im Interesse der Versorgung der Kleinkinder ergeht an alle Gärtner, Gartenbesitzer und Kleingärtner die dringende Aufforderung, Karotten anzubauen, da diese zur Ernährung der Kleinkinder von besonderer Wichtigkeit sind." Mit einer Polizeiverordnung wird jeder Schleich- und Tauschhandel verboten. 17. Juni 1945 Der sowjetische Staats- und Parteichef Josef W. Stalin bittet den britischen Premierminister Winston Churchill, die Räumung der von den Westmächten besetzten Teile der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands bis zum 1. Juli des Jahres aufzuschieben. In Berlin konstituiert sich als zweite Partei in der Sowjetischen Besatzungszone die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD). In Köln findet die Gründungsversammlung der Christlich Demokratischen Volkspartei statt. In London wird eine "Welternährungskonferenz" abgeschlossen, an der insgesamt zwölf - durchwegs befreite - Staaten teilnehmen. Sie bezeichnen eine Steigerung ihrer Agrarproduktion als realistisch. Dänemark kündigt an, Lebensmittel zu rationieren, um die Ausfuhren in andere befreite europäische Staaten zu steigern. Der "Tag der Volkssolidarität" in Wien steht im Zeichen einer Großdemonstration von politisch Verfolgten des Naziregimes. Der Zug führt vom Schwarzenbergplatz zum Parlament, wo eine Kundgebung stattfindet, auf der Redner aller drei demokratischen Parteien das Wort ergreifen und den Widerstand politischer Häftlinge in Konzentrationslagern und Kerkern der Nazi würdigen. In einem Appell, "alle Reisen privaten Charakters zu unterlassen", beklagt die Direktion der Österreichischen Eisenbahnen, dass "die Überfüllung der Züge von Tag zu Tag zunimmt". Weiter heißt es wörtlich: "Außer Berufsfahrern wird nur eine ganz geringe Anzahl anderer Reisender befördert. Alle Reisen privaten Charakters, insbesondere Fahrten zur Erwerbung von Lebensmitteln und Obst, müssen unbedingt unterbleiben. Wer trotzdem solche Reisen unternimmt, wird bei den unterwegs stattfindenden Kontrollen von der Fahrt ausgeschlossen. Sollte trotz all dieser Vorbeugungsmaßnahmen der Andrang bei den Reisezügen weiter andauern, müsste zur vollständigen Einstellung des zivilen Reiseverkehrs geschritten werden." 18. Juni 1945 In Berlin nimmt die Hochschule für Bildende Künste ihren Lehrbetrieb wieder auf. Zum Leiter wird der Maler und Grafiker Karl Hofer ernannt. Innerhalb des Stadtgebietes von München nimmt die Post die Beförderung von Briefen wieder auf. In Wien nehmen folgende Justizeinrichtungen die Arbeit wieder auf: Das Landesgericht für Strafsachen Wien, das Strafbezirksgericht I, der Jugendgerichtshof Wien und die Staatsanwaltschaft Wien. Grundlage für ihre Tätigkeit ist die Gesetzesvorlage über die Wiederherstellung des Österreichischen Strafrechts und Strafprozessrechts, die am 12. Juni den Kabinettsrat passiert hat und bereits veröffentlicht wurde. Kommissionen des Wiener Wohnungsamtes nehmen die für drei Tage angesetzte Begehung der Wohn- und Geschäftsräume auf. Stadtrat Slavik erklärt, dass das Wohnungsamt "gründlich gesäubert" wurde: "Von ursprünglich 528 gehören nur mehr 250 Personen der Dienststelle an." Zur Wohnungsbegehung sagt Slavik: "Sie dient keinem anderen Zweck, als die jetzt zur Verfügungen stehenden Wohn- und Geschäftsräume festzustellen, um zu überprüfen, ob sie nur mangelhaft oder gar nicht benützt werden, ferner alle Arisierungsfälle zu erfassen und zu erheben, welche Wohnungsveränderungen seit der Befreiung Österreichs zu Recht oder zu Unrecht erfolgen." Unter der Bezeichnung "Kaufhaus der Wiener" hat die Firma Gerngroß ihre Pforten wieder geöffnet. 19. Juni 1945 Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) bilden in Berlin einen gemeinsamen Arbeitsausschuß, der die weitere Zusammenarbeit der Parteien koordinieren soll. In der italienischen Hauptstadt Rom verständigen sich die sechs antifaschistischen Parteien auf die Bildung einer neuen Regierungskoalition unter der Führung des Sozialisten Ferruccio Parri. Der Kabinettsrat beschließt die Bildung eines Erntenotdienstes. Zur Sicherung der Getreideernte sollen zwischen Ende Juni und Mitte August auch Arbeitskräfte aus Städten und Industriegebieten als Erntehelfer eingesetzt werden. Mit der Organisation werden die Arbeitsämter beauftragt. Für den Ernteeinsatz werden Ersatz der Fahrkosten, volle Verpflegung und Unterkunft, gesteigerter Tariflohn und eine Mehlprämie geboten, die pro Woche für Männer fünf und für Frauen drei Kilogramm beträgt. Anläßlich der Gerngroß-Eröffnung findet eine Betriebsfeier für die Beschäftigten statt, an der Staatssekretär Böhm teilnimmt. In einer Rede zeigt er sich überzeugt, "dass es gelingen wird, im neuen Österreich normale wirtschaftliche Verhältnisse herbeizuführen. Allerdings darf man sich nach den schweren Zerstörungen, die der Krieg im Gefolge hatte, nicht verhehlen, dass der Aufschwung nicht in wenigen Monaten, sondern erst in jahrelanger, mühevoller Arbeit erzielt werden kann." Nach einer Mitteilung des Ernährungsamtes werden neuerlich Erdäpfel ausgegeben. 20. Juni 1945 Königreich Italien Das Kabinett Bonomi macht einem neuen Kabinett unter Partisanenführer Ferruccio Parri Platz, in welchem de Gasperi das Außenministerium übernimmt. In der britischen Besatzungszone werden die Regierungsbezirke Aachen, Düsseldorf und Köln zur Nordrheinprovinz zusammengefaßt. In Moskau tritt die Reparationskommission der Vereinigte Staaten von Amerika (USA), Großbritanniens und der Sowjetunion zu einer dreitägigen Konferenz über Deutschland zusammen. Australische Streitkräfte landen an der Nordküste Borneos. Die Vollmilchabgabe für Kinder von einem bis drei Jahren wird mit sofortiger Wirkung von einem Achtel- auf einen Viertelliter erhöht. Die Rathaus-Korrespondenz ruft die Bevölkerung auf, Wahrnehmungen über den Verbleib von - dringend benötigten - verschleppten Spezialfahrzeugen der Gemeinde Wien zu melden. Das "Neue Österreich" widmet der Aktion eines städtischen Vermessungsbeamten einen umfangreichen Bericht, der für die Beteiligung seines Bezirkes an der Kirschenernte in Wiesen gesorgt hat. Im Resselpark auf dem Karlsplatz, dem Zentrum des Schleichhandels, führt die Polizei mit Unterstützung russischer Militärpolizei regelmäßig Razzien durch, bei denen jedoch wegen des gut funktionierenden Warnsystems fast nur "kleine Fische" hängen bleiben. Um das Monatseinkommen eines Facharbeiters oder eines Gemeindebediensteten von 150 Reichsmark kann man sich "im Schleich" 4 kg Brot, 1/4 kg Schmalz oder 30 Zigaretten kaufen.
JAPANS KRIEG MIT Vereinigte Staaten von Amerika (USA) Der japanische Widerstand auf Okinawa bricht nach 82 Tagen heftigster Kämpfe, die von britischen und amerikanischen Trägergruppen unterstützt werden, zusammen, doch einzelne japanische Gruppen halten sich noch. Mit der Einnahme von Okinawa gewinnen die Amerikaner eine Flugbasis in nächster Nähe der japanischen Hauptinseln (500 km bis Kyuschu). Japanische Verluste: 110.000 Tote, 7.400 Gefangene. Amerikanische Verluste: 49.000 Tote, Verwundere und Vermißte, davon 12.281 Gefallene, davon 5.000 Marines. Der japanische Befehlshaber der Insel, Generalleutnant Mitsuru Ushijima begeht zusammen mit seinem Stabschef Isamu Cho, Seppuku (Harakiri). Mit der Einnahme von Okinawa beginnt die kriegsentscheidende vernichtende Luftoffensive gegen Japan. Der tschechoslowakische Staatspräsident Eduard Beneš verkündet die Enteignung und Aufteilung des sudetendeutschen Grundbesitzes. In den Landkreis Schwarzenberg im Erzgebirge, der aus Versehen weder von den Vereinigte Staaten von Amerika (USA) noch von der Sowjetunion besetzt worden war, rücken sowjetische Einheiten ein. Großbritannien übernimmt anstelle der Vereinigte Staaten von Amerika (USA) die Besatzung der Stadt Köln. In Italien bildet der neue Ministerpräsident Ferruccio Parri eine Regierung, das Amt des Außenministers übernimmt der Christdemokrat Alcide De Gasperi. In der "Österreichischen Zeitung" erscheint ein Leitartikel mit dem Titel "Österreicher, das müsst ihr wissen." In dem Beitrag findet sich einerseits die Darstellung der Nazi-Verbrechen am Beispiel von Kiew, wo 195.000 Menschen umgebracht wurden, und andererseits ein Hinweis auf die Beteiligung Österreichs am Krieg auf der Seite Hitlerdeutschlands. Das "Neue Österreich" macht mit dem Titel "Vorbereitung der Strafverfahren gegen Kriegsverbrecher" auf. Auf Beschluss des Kabinettsrates sollen alle Personen listenmäßig erfasst werden, "die im Zuge der Kriegsführung Unmenschlichkeiten begangen haben und Grundsätze des Kriegsrechts, des Völkerrechts und der Menschlichkeit verletzten, die Menschen in Konzentrationslagern und Gefängnissen gequält und misshandelt und durch diese Misshandlung deren Tod oder schweres Siechtum herbeigeführt haben." In dem Zusammenhang wird die Bevölkerung aufgerufen, "stichhaltige Mitteilungen" mit Name und Adresse dem Staatsamt für Inneres zugehen zu lassen. Ferner wird gemeldet: "Das leidenschaftliche Interesse der Bevölkerung an den zu erwartenden Strafverfahren gegen die Naziverbrecher kommt Tag für Tag in ganzen Stößen von Briefen an unser Blatt, an die Behörden und an die Justizverwaltung zum Ausdruck." In einem Appell ruft die Stadtverwaltung die Bevölkerung auf, bei Beleuchtung und beim Kochen Strom zu sparen. Gleichzeitig werden strenge Verbrauchskontrollen angekündigt. Für das Schuljahr 1945/46 werden Schülerstreckenkarten ausgegeben. Und: "Es gibt wieder Bier - Arbeitsaufnahme in den Wiener Brauereien". Einschränkend heißt es dazu im "Neuen Österreich": "Hauptsächlich fehlt es an Malz und Zucker, auch die Versorgung mit Kohle lässt zu wünschen übrig... Es wird also nicht sehr viel Bier geben, aber auf ein 'Krügerl' ab und zu wird es langen." In Salzburg ernennt das amerikanische Kommando Dr. Adolf Schemel zum Landeshauptmann.
Nach Aussage des Oberbefehlshabers der britischen Truppen in Deutschland, Feldmarschall Bernard Law Montgomery, werden pro Tag rund 13 000 deutsche Soldaten aus britischer Kriegsgefangenschaft entlassen. US-amerikanischen Truppen schließen die Eroberung der japanischen Insel Okinawa ab. Im Ruhrgebiet haben rund 140 Bergwerke ihren Betrieb wieder aufgenommen. Die tägliche Förderleistung liegt derzeit bei etwa 40 000 t Kohle. In Bremerhaven trifft das erste Frachtschiff aus den Vereinigte Staaten von Amerika (USA) mit Lebensmitteln für Deutschland an Bord ein. In Anbetracht der bevorstehenden Besetzung Jenas durch sowjetische Truppen verfügt die US-Besatzungsmacht den Abtransport von 80 Spezialisten der dort ansässigen Zeiss-Werke in die US-amerikanische Besatzungszone. Die Kundmachung Nummer 1 mit den grundsätzlichen Bestimmungen über die Registrierung der Nationalsozialisten wird in Wien angeschlagen. Eine zweite Kundmachung soll folgen, in der Zeit und Ort der Meldung bekanntgegeben werden. Die Wiener Stadtverwaltung appelliert an alle Fuhrwerksbesitzer, sie bei der Überwindung der Transportkrise zu unterstützen. Demnach sollen "alle verfügbaren Transportmittel, also motorisierte oder mit Pferden bespannte Wagen, der Stadtverwaltung gegen Entgelt, auch halbtägig, zur Verfügung gestellt werden". Erstmals seit Kriegsbeginn gibt es mit Hilfe der wieder aktiven Zentralanstalt für Meteorologie einen Wetterbericht im Radio. Im Krieg galt der Wetterbericht als Militärgeheimnis. Das "Neue Österreich" meldet: "Austria-Tabakwerke bereiten Einheitszigarette vor". Nach einem Bericht des Blattes reichen die Kapazitäten der weitgehend intakt gebliebenen Tabakfabrik in Ottakring aus, um den Raum Wien mit Rauchwaren zu versorgen. 23. Juni 1945 In der Nähe von Berlin wird der ehemalige Oberbefehlshaber der deutschen Kriegsmarine, Großadmiral Erich Raeder, gefangengenommen. Der jugoslawische Ministerpräsident, Marschall Josip Tito, erhebt Ansprüche auf die Adriahalbinsel Istrien sowie auf Teile Kärntens. Truppen der Vereinigten Staaten haben nach härtesten Kämpfen mit vielen tausenden Toten die japanische Insel Okinawa erobert. Die von den Vereinigte Staaten von Amerika (USA), der Sowjetunion und Großbritannien gebildete "Reparationskommission" tritt zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Auf dem Rathausplatz kommt es zu einer Großkundgebung anläßlich der Rückkehr von Alt-Bürgermeister Karl Seitz nach Wien. Seitz war von den Nazis ins KZ Ravensbrück und dann nach Plauen verschleppt worden. Er kam in Wien schwer krank und völlig entkräftet an. - Die Wiener Rettung nimmt ihren Betrieb mit zwei Rettungswagen, die jeweils mit einem Arzt besetzt sind, eingeschränkt wieder auf. - Das Atzgersdorfer Höpflerbad öffnet seine Pforten. Der Reinertrag des Eröffnungstages fließt der "Volkssolidarität" zu. Der Wiener Finanzstadtrat Honay berichtet von aussichtsreichen Verhandlungen über Kohlelieferungen aus den Revieren von Mährisch-Ostrau und Donez. Gleichzeitig zieht er Bilanz über den Instandsetzungsbedarf in Wien. Demnach sind für die Reparatur der Straßenbahnoberleitungen 12.250 Kilogramm Kupferdraht erforderlich. Von 1.400 Straßenbahntriebwagen stehen nur mehr 400 und von 1.800 Beiwagen nur mehr 800 zur Verfügung. Von 183 Wagen der Müllabfuhr im Jahr 1934 gibt es lediglich 11. Die Wasserleitung wurde an 1.378 Stellen zerstört; 530 Schäden sind bisher behoben. Für den Wiederaufbau des vernichteten Wohnraumes sind 1.500 Millionen Reichsmark erforderlich. 24. Juni 1945 Königreich der Niederlande Willem Schermenhorn löst Pieter Sjoerds Gerbrandy als Ministerpräsident des Königreiches der Niederlande ab. Gerbrandy hatte die meiste Zeit seiner Regierung als dem Exil in London gewirkt und ist erst am 23. Mai in die Niederlande zurückgekehrt.
In der sowjetischen Hauptstadt Moskau finden aus Anlaß des Sieges über Deutschland eine Truppenparade statt. In den Niederlanden löst eine Interimsregierung unter Ministerpräsident Willem Schermerhorn die Londoner Exilregierung von Pieter Sjoerds Gerbrandy ab. Die australische 9. Division besetzt die Ölfelder im Norden der Insel Borneo. Die Wiener Feuerwehr richtet auf dem Stephansturm eine Feuerwache ein, nachdem das Brandmeldesystem weitgehend zerstört ist. In der "Österreichischen Zeitung" erscheint eine Notiz mit folgendem Wortlaut: "In der Wohnung des geflüchteten Nazifaschisten Hirt in der Wallgasse 9 wurde die Kartei der NSDAP, Ortgruppe Gumpendorf, aufgefunden und sichergestellt." Überraschungen gab es bei den Fußballspielen um den Befreiungspokal vor allem durch Austria und Helfort, die jeweils höher eingeschätzte Gegner geschlagen haben. Die Resultate im einzelnen: Rapid gegen Sportklub 3:2, Austria gegen Wacker 7:3, Vienna gegen Straßenbahn 5:0, Helfort gegen FAC 6:2. 25. Juni 1945 Republik Polen Ein Moskauer Gericht verurteilt 12 von 16 verhafteten polnischen Führern wegen Untergrundtätigkeit gegen die Rote Armee; Hinrichtung der Führer der jüdisch-sozialistischen Partei. Der stellvertretende Vorsitzende der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), Walter Ulbricht, spricht sich auf einer Funktionärstagung seiner Partei in Berlin gegen eine sofortige Vereinigung der KPD mit den Sozialdemokraten aus. In der französischen Besatzungszone wird die Verwaltung der Eisenbahn einer eigenständigen Verwaltungsbehörde mit Sitz in Speyer übertragen. Ein Erlaß der US-amerikanischen Militärregierung ordnet in München die Umbenennung aller Straßen und Plätze an, die nach nationalsozialistischen Funktionären benannt sind. In Dublin wird Sean Thomas O'Kelly, Mitglied der nationalistisch-konservativen Partei Fianna Fail, als irischer Staatspräsident vereidigt. Der Konferenz von San Francisco zur Gründung der Vereinten Nationen, an der Vertreter von 50 Staaten teilnehmen, wird die Weltsicherheitscharta zum Beschluss vorgelegt. Die Versammlung nimmt das Gründungsdokument der UNO per Akklamation an. Die Charta sieht die Errichtung einer neuen Weltsicherheitsorganisation vor, die an die Stelle des früheren Völkerbundes treten und eine friedliche Zukunft der Menschheit garantieren soll. Der Vorstand der SPÖ wählt Karl Seitz nach seiner Rückkehr nach Wien wieder zum Parteivorsitzenden. Der Lesesaal der Nationalbibliothek ist wieder zugänglich. Die Badnerbahn verkehrt wieder zwischen Philadelphiabrücke und Wiener Neudorf.
Vereinte Nationen (UN) / Königreich Dänemark / Republik Polen Auf ihrer Abschlusssitzung in San Francisco unterzeichnen Vertreter von insgesamt 50 Staaten die Charta der Vereinten Nationen. Dänemark ist Gründungsmitglied der Vereinten Nationen (UNO/United Nations Organization), der Nachfolgeorganisation des 1919 gegründeten Völkerbundes. Insgesamt 50 Nationen unterschreiben die Charta der UN. Die Unterschrift von Polen soll nachgeholt werden.
Der polnische Minister für die wiedergewonnenen Gebiete, Edward Ochab, erklärt in Warschau, dass sich in den deutschen Gebieten östlich von oder und Neiße noch rund 2,5 Millionen Deutsche befänden, deren Aussiedlung energisch betrieben werde. Zwischen der UdSSR und der Tschechoslowakei wird die Abtretung der Karpato-Ukraine an die Sowjetunion vereinbart. Dadurch erhalten Ungarn und die UdSSR eine gemeinsame Grenze. In Berlin wird der Gründungsaufruf der Christlich Demokratischen Union (CDU) veröffentlicht. Die sowjetische Besatzungsmacht behält sich eine endgültige Registrierung der Partei noch vor. Die Konferenz in San Francisco zur Gründung der Vereinten Nationen wird nach neun Wochen mit einer Rede von US-Präsident Truman abgeschlossen. Der Norweger Trygre Lie wird von den 50 teilnehmenden Staaten zum ersten UN-Generalsekretär gewählt. Der Kabinettsrat in Wien beschließt das Gesetz über Kriegsverbrechen. Darin heißt es in Paragraph 1, Absatz 1: "Wer in dem von den Nationalsozialisten angezettelten Krieg gegen Angehörige der Wehrmacht der Kriegsgegner oder die Zivilbevölkerung eines mit dem deutschen Reich in Krieg befindlichen oder von deutschen Truppen besetzten Staates oder Landes vorsätzlich eine Tat begangen oder veranlasst hat, die den natürlichen Anforderungen der Menschlichkeit und den allgemein anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts oder des Kriegsrechts widerspricht, wird als Kriegsverbrecher bestraft." Das "Neue Österreich" meldet: "3.454 Nazi in gerichtlicher Untersuchung -Rund 1.400 Fälle dem Volksgericht übergeben". Die Ausgabe der Lebensmittelkarten für Juli beginnt. Der Stadtbahnverkehr wird von Hietzing bis Hütteldorf verlängert. In Bayern werden rund 600 Kinder aus Wien geortet, die von den Nazi kurz vor der Befreiung der Stadt aus Kinder- und Erziehungsanstalten der Gemeinde auf zwei Donaudampfern nach Deutschland verschleppt wurden. Von Mitte April bis Mitte Juni wurden im Gebiet der Stadt Wien laut "Österreichische Zeitung" 444 Bombentrichter zugeschüttet und 12.000 Quadratmeter Straßendecke provisorisch erneuert. 27. Juni 1945 Das Amt für Sozialwesen der Berliner Stadtverwaltung richtet einen Suchdienst für vermißte deutsche Soldaten und Zivilpersonen ein. Auf dem Schlesischen Bahnhof in Berlin trifft der erste Zug der neuen Expreßverbindung Moskau-Berlin ein. Die Lizenz der „Aachener Nachrichten”, die seit dem 24. Januar als erste Zeitung in einer von den Westmächten besetzten deutschen Stadt erschien, wird von der britischen Besatzungsmacht einem deutschen Herausgeber übertragen. Das "Neue Österreich" veröffentlicht den zweiten Teil eines Berichtes von Bürgermeister Körner über die Tätigkeit der Gemeindeverwaltung in den ersten zwei Monaten nach der Befreiung. Darin heißt es unter anderem: "Vor besonderen Schwierigkeiten stand die Leichenbestattung. 4.000 Leichen warteten auf den Friedhöfen, 1.000 in Spitälern, Straßen und auf Plätzen der Stadt auf Abtransport und Beerdigung. Es mangelte an Särgen und Fahrzeugen. Mit Hilfe russischer Militärfahrzeuge konnte schließlich Abhilfe geschaffen werden....Die Exhumierung der in den Parkanlagen beerdigten Leichname kann jedoch erst bei Eintritt der kühleren Jahreszeit vorgenommen werden." Zum Kulturbereich sagte Körner: "Mit neuem Schwung wurde der Wiederaufbau des kulturellen Lebens in Angriff genommen. Schon Ende April konnte ein Teil der Wiener Privattheater zu spielen beginnen, und jetzt sind trotz der Zerstörungen, vor allem der Staatstheater, nahezu alle Wiener Bühnen wieder in voller Tätigkeit. Das Gebäude der Volksoper wurde für den Betrieb der Staatsoper zur Verfügung gestellt. Die Konzerttätigkeit wurde Ende April mit einem philharmonischen Konzert eröffnet und hat seither an Umfang erfreulich zugenommen. Von den Wiener Kinos konnten Mitte April 40 Betriebe eröffnet werden. Heute stehen schon 100 Lichtspieltheater den breiten Massen zur Verfügung. Die Städtischen Büchereien wurden wieder in Gang gesetzt und das Buchmaterial gesichtet." 28. Juni 1945 Republik Polen Umbildung der Regierung zu einem Kabinett der nationalen Einheit durch Aufnahme von Mitgliedern der Exilregierung (Premierminister Osóbka-Morawski, Vizepräsident Mikolajczyk). Sowjetunion Stalin wird zum Generalissimus ernannt. Königreich der Niederlande Die Königin kehrt wieder in ihr Land zurück. In der polnischen Hauptstadt Warschau wird unter kommunistischer Führung die Polnische Regierung der Nationalen Einheit gebildet. Nach Berichten der britischen Nachrichtenagentur Reuter soll sich Adolf Hitler am 29. April in La Palice an der französischen Atlantikküste an Bord eines deutschen U-Bootes begeben haben. Das Boot hätte den Hafen, der sich noch in deutscher Hand befunden habe, mit unbekanntem Ziel verlassen. Ein Berliner Gericht verfügt als neue Form der Strafverbüßung die Einführung der Zwangsarbeit. In Eichstätt in Bayern findet erstmals seit Kriegsende wieder eine bayerische Bischofskonferenz statt, deren Leitung der Erzbischof von München und Freising, Michael Kardinal von Faulhaber, übernommen hat. Auf der philippinischen Hauptinsel Luzon ergeben sich die letzten japanischen Verbände den US-Truppen. Der sowjetische Staats- und Parteichef Josef W. Stalin wird auf Anordnung des Obersten Sowjet der UdSSR zum Generalissimus befördert. Unter dem Titel "Helft die Ernte sichern!" richtet der Österreichische Gewerkschaftsbund einen Appell an die Werktätigen. Darin heißt es unter anderem: "Um Peter und Paul beginnt die Getreideernte. Von ihrem Ergebnis hängt heuer mehr ab als jemals...Tausende freiwillige Helfer haben sich bei den Arbeitsämtern gemeldet, mehrere Tausende, ja Zehntausende fehlen noch. Sie müssen noch in dieser Woche und spätestens zu Beginn der nächsten bei den Erntearbeiten eingesetzt werden. Es gibt zur Zeit keine wichtigere und dringlichere Aufgabe. Wir appellieren vor allem an die jüngeren und kräftigeren Kollegen und Kolleginnen, sich für den Ernteeinsatz zur Verfügung zu stellen. Die Ernte 1945 muss unter allen Umständen gesichert werden." Das Staatsamt für Finanzen weist auf die Steuerpflicht für "Kleinpflanzertabak" hin. Tabekkleinpflanzer sind Personen, die nicht mehr als 200 Tabakpflanzen ausschließlich für den Eigenbedarf anbauen. Die ersten 25 Pflanzen sind steuerfrei. Für 26 bis 100 Pflanzen sind 4 Reichsmark, für 101 bis 200 Pflanzen 8 Reichsmark Steuer zu bezahlen. 29. Juni 1945 Tschechoslowakische Republik / Sowjetunion Der frühere Präsident der Tschechoslowakei, Dr. Edvard Beneš, der Anfang Mai aus der Sowjetunion in seine Heimat zurückgekehrt ist und ohne jede Legimitation und ohne Wahlen faktisch wieder das Amt des Staatspräsidenten übernommen hat, unterzeichnet einen Vertrag über die Abtretung der Karpato-Ukraine an die Sowjetunion.
TSCHECHOSLOWAKEI Durch einen in Moskau von dem Ministerpräsidenten Fierlinger unterzeichneten Vertrag wird, auf Grund eines Angebots von Benes, die Karpato-Ukraine an Sowjetrussland abgetreten. Vertreter der Militärregierungen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und der Sowjetunion in Deutschland einigen sich über die Modalitäten des Einzugs der Westmächte in die für sie vorgesehenen Sektoren Berlins. US-amerikanische und britische Luftstreitkräfte bombardieren japanische Ölförderanlagen auf Borneo. Das "Neue Österreich" berichtet in großer Aufmachung, dass es einen "Nachmeldetermin" für die "Meldung der Nazi beim Arbeitsamt" gibt und veröffentlicht eine Reportage über eine Großrazzia gegen Schleichhändler im Resselpark. Bei dieser Aktion, an der neben der Polizei auch Mitglieder eines Freiheitsbataillons mitwirken, werden insgesamt 200 Verhaftungen vorgenommen und große Mengen Speck, Schuhe, Stoffe usw. beschlagnahmt. Anläßlich der Ausdehnung der Gasversorgung vom 11. auf Teile des 3. Bezirks rufen die Stadtwerke zu "Unerläßlichen Vorsichtsmaßnahmen" mit folgendem Wortlaut auf: Nur Gaskocher benützen, keine Backrohre und Warmwassergeräte, da Explosions- und Vergiftungsgefahr. Vor dem Zünden muss das Gas-Luft-Gemisch aus der Leitung entweichen können. Man lässt es daher zunächst bei geöffneten Fenstern ungezündet ausströmen. Erst bis sich deutlicher Gasgeruch bemerkbar macht, darf das Gerät in Betrieb genommen werden. Nach Benützung des Gerätes Hahn und den Wandhahn schließen. Bei Außerachtlassen dieser Vorschriften besteht größte Explosions- und Vergiftungsgefahr...." Die Fernstromleitung nach Wien wird neuerlich beschädigt. Der Zusammenbruch des Netzes zieht einen Trafo in Mitleidenschaft. Die Reparatur wird Monate in Anspruch nehmen. Ein Teil der Wiener Wohnungen muss vom Netz abgeschaltet werden. 30. Juni 1945 Die US-amerikanischen und britischen Besatzungstruppen beginnen mit ihrem Rückzug aus den von ihnen eroberten Gebieten Mitteldeutschlands. Eine Kommission der alliierten Siegermächte berät in Bern über die Rückwanderung von Schweizer Staatsbürgern aus Deutschland in die Schweiz. Einheiten der US-amerikanischen Marineinfanterie landen auf der bei Okinawa gelegenen japanischen Insel Ie Shima. Ungefähr 450 sogenannte Superfestungen der US-Luftwaffe greifen drei Hafenstädte in Südjapan an. Baron Pouthon, seit 23 Jahren Direktor der Salzburger Festspiele, berichtet von Bemühungen, die Veranstaltung unter Leitung von Bruno Walter wieder auf die Beine zu stellen. Um einerseits den "wilden und unkontrollierbaren Anschlägen an Planken, Plakatwänden, Zäunen und Hausmauern" entgegenzutreten und andererseits den "Tausch-, An- und Verkaufsbedürfnissen" der Bevölkerung entgegenzukommen, wird ab nun einmal wöchentlich der "Wiener Anzeiger" herausgegeben. Die Gewista wird beauftragt, diesen Anzeiger künftig auf Anschlagtafeln, Litfasssäulen und Plakatflächen der Stadtbahnstationen zu affichieren. Der Komponist Franz Salmhofer wird zum Direktor der Wiener Staatsoper ernannt. Im Lotto werden folgende Nummern gezogen: 47 76 81 66 60.
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