10.06.1815 |
Deutscher Bund
Die Bevollmächtigten von 39 deutschen Staaten unterzeichnen die Bundesakte zur Gründung des Deutschen Bundes. Gemäß der Präambel der Bundesakte beschließen „die souverainen Fürsten und freien Städte Deutschlands, […] von den Vorteilen überzeugt, welche aus ihrer festen und dauerhaften Verbindung für die Sicherheit und Unabhängigkeit Deutschlands, und die Ruhe und das Gleichgewicht Europas hervorgehen würden, […] sich zu einem beständigen Bunde zu vereinigen“. Folgende Inhalte werden vereinbart (Auszüge):
Die in 20 Artikeln verfasste Bundesakte schafft die vertragliche Grundlage für den Deutschen Bund. Mitglieder des Deutschen Bundes sind gemäß der Präambel der Bundesakte alle „souveränen Fürsten und freien Städte“. Das sind 41 deutsche Staaten, davon vier freie Städte. Es wird unter anderem vertraglich vereinbart:
Artikel I
Der König von Großbritannien und Irland gehört als König von Hannover, der König von Dänemark als Herzog von Holstein und Lauenburg und der König der Niederlande als Großherzog von Luxemburg dem Bund an. Sie sind Bundesfürsten wie alle anderen auch.
Der Kaiser von Österreich und der König von Preußen gehören dem Deutschen Bund mit allen ihren vormals zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zählenden Besitzungen an: Österreich ohne die polnischen, ungarischen und italienischen Gebietsteile; Preußen ohne Westpreußen und Ostpreußen, Posen und den Kanton Neuenburg.
- Die Bundesbeschlüsse gelten nicht für diese Territorien, und es ergibt sich aus der Bundesakte auch keinerlei militärische Beistandspflicht für den Fall eines Angriffes Dritter auf diese Gebiete.
Artikel II
Der Zweck desselben ist Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten.
Artikel III
Alle Bundesglieder haben die gleichen Rechte, sie verpflichten sich alle gleichmäßig die Bundesakte unverbrüchlich zu halten.
Artikel IV, V & IX
Einziges Bundesorgan ist die Bundesversammlung – auch Bundestag genannt – mit dem Tagungsort Frankfurt am Main. Zuständig für die Bundesangelegenheiten im Allgemeinen ist der "Engere Rat", in dem elf größere Staaten jeweils eine Stimme und die übrigen insgesamt sechs haben. Er entscheidet mit einfacher Mehrheit, bei Stimmengleichheit entscheidet der österreichische Vertreter, weil Österreich die Präsidialmacht des Bundes ist.
- Stimmenverteilung im Engeren Rat:
1. Kaisertum Österreich – 1 Stimme
2. Königreich Preußen – 1 Stimme
3. Königreich Bayern – 1 Stimme
4. Königreich Sachsen – 1 Stimme
5. Königreich Hannover – 1 Stimme
6. Königreich Württemberg – 1 Stimme
7. Großherzogtum Baden – 1 Stimme
8. Kurfürstentum Hessen – 1 Stimme
9. Großherzogtum Hessen – 1 Stimme
10. Königreich Dänemark wegen Herzogtum Holstein – 1 Stimme
11. Königreich der Niederlande wegen des Großherzogtums Luxemburg – 1 Stimme
12. Die Herzoglich Sächsischen Häuser Großherzogtum Sachsen, Herzogtum Sachsen-Gotha, Herzogtum Sachsen-Hildburghausen, Herzogtum Sachsen-Meiningen, Herzogtum Sachsen-Weimar und Herzogtum Sachsen-Coburg – 1 Stimme
13. Herzogtum Braunschweig und Herzogtum Nassau – 1 Stimme
14. Herzogtum Mecklenburg-Schwerin und Herzogtum Mecklenburg-Strelitz – 1 Stimme
15. Großherzogtum Oldenburg, Herzogtum Anhalt-Dessau, Herzogtum Anhalt-Bernburg, Herzogtum Anhalt-Köthen und Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt – 1 Stimme
16. Fürstentum Hohenzollern-Hechingen, Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen, Fürstentum Liechtenstein, Fürstentum Reuß jüngere Linie, Fürstentum Schaumburg-Lippe, Fürstentum Lippe-Detmold und Fürstentum Waldeck – 1 Stimme
17. Die freien Städte: Freie und Hansestadt Lübeck, Freie Stadt Frankfurt, Freie Hansestadt Bremen und Freie Stadt Hamburg – 1 Stimme.
Artikel VI & VII
Für bestimmte Bundesangelegenheiten ist das Plenum zuständig. Hier hat jedes Mitglied – mit Ausnahme von drei Fürstentümern – mindestens eine Stimme, die größeren Staaten bis zu vier.
- Stimmenverteilung im Plenum:
1. Kaisertum Österreich – 4 Stimmen
2. Königreich Preußen – 4 Stimmen
3. Königreich Sachsen – 4 Stimmen
4. Königreich Bayern – 4 Stimmen
5. Königreich Hannover – 4 Stimmen
6. Königreich Württemberg – 4 Stimmen
7. Großherzogtum Baden – 3 Stimmen
8. Kurfürstentum Hessen – 3 Stimmen
9. Großherzogtum Hessen – 3 Stimmen
10. Herzogtum Holstein – 3 Stimmen
11. Großherzogtum Luxemburg – 3 Stimmen
12. Herzogtum Braunschweig – 2 Stimmen
13. Herzogtum Mecklenburg-Schwerin – 2 Stimmen
14. Herzogtum Nassau – 2 Stimmen
15. Herzogtum Sachsen-Weimar – 1 Stimme
16. Herzogtum Sachsen-Gotha – 1 Stimme
17. Herzogtum Sachsen-Coburg – 1 Stimme
18. Herzogtum Sachsen-Meiningen – 1 Stimme
19. Herzogtum Sachsen-Hildburghausen – 1 Stimme' '
20. Herzogtum Mecklenburg-Strelitz – 1 Stimme
21. Großherzogtum Oldenburg – 1 Stimme
22. Herzogtum Anhalt-Dessau – 1 Stimme
23. Herzogtum Anhalt-Bernburg – 1 Stimme
24. Herzogtum Anhalt-Köthen – 1 Stimme
25. Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen – 1 Stimme
26. Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt – 1 Stimme
27. Fürstentum Hohenzollern-Hechingen – 1 Stimme
28. Fürstentum Liechtenstein - 1 Stimme
29. Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen – 1 Stimme
30. Fürstentum Waldeck – 1 Stimme
31. Fürstentum Reuß ältere Linie – 1 Stimme
32. Reuß jüngere Linie (Reuß-Lobenstein, Reuß-Schleiz, Reuß-Ebersdorf) – 1 Stimme
33. Fürstentum Schaumburg-Lippe – 1 Stimme
34. Fürstentum Lippe-Detmold und Fürstentum Schaumburg-Lippe – 1 Stimme
35. Freie und Hansestadt Lübeck – 1 Stimme
36. Freie Stadt Frankfurt – 1 Stimme
37. Freie Hansestadt Bremen – 1 Stimme
38. Freie Stadt Hamburg – 1 Stimme.
- Anders als ursprünglich von ihnen beabsichtigt, können die Großmächte Österreich und Preußen die Mittel- und Kleinstaaten nicht vollständig majorisieren: Im Engeren Rat haben selbst die sechs größeren Staaten nur 6 von 17 Stimmen, im Plenum, wo für Entscheidungen eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, nur 24 von 69. Rein formal vermeidet damit die Konstruktion des Deutschen Bundes jede hegemoniale Vormachtstellung.
Artikel XI
Alle Mitglieder des Bundes versichern, sowohl ganz Deutschland als auch jeden einzelnen Bundesstaat gegen Angriffe zu schützen und garantieren sich gegenseitig ihre sämtlichen zum Deutschen Bund gehörenden Besitzungen zu. Bei einem einmal erklärten Bundeskrieg darf kein Mitglied einseitige Unterhandlungen mit dem Feinde eingehen oder Waffenstillstand und Frieden schließen. Die Bundesglieder behalten zwar das Recht der Bündnisse aller Art; verpflichten sich jedoch in keine Verbindungen einzugehen, welche gegen die Sicherheit des Bundes oder einzelner Bundesstaaten gerichtet wären. Die Bundesglieder machen sich ebenfalls verbindlich, einander unter keinerlei Vorwand zu bekriegen, noch ihre Streitigkeiten mit Gewalt zu verfolgen, sondern sie bei der Bundesversammlung anzubringen. Dieser liegt alsdann ob, die Vermittlung durch einen Ausschuß zu versuchen; falls dieser Versuch fehlschlagen sollte, und demnach eine richterliche Entscheidung nothwendig würde, solche durch eine wohlgeordnete Austrägal-Instanz zu bewirken, deren Ausspruch die streitenden Theile sich sofort zu unterwerfen haben.
Artikel XII
Bundesstaaten, deren Bevölkerung nicht 300.000 Einwohner übersteigt, werden sich mit größeren Mitgliedern des Bundes oder mit den ihnen verwandten Häusern, mit welchen sie wenigstens eine solche Bevölkerungszahl ausmachen, zur Bildung eines gemeinschaftlichen Obersten-Gerichts vereinigen. Den vier freien Städten steht das Recht zu, sich untereinander über die Errichtung eines gemeinsamen obersten Gerichts zu vereinigen.
Artikel XIII
In allen Bundesstaaten wird eine landständische Verfassung stattfinden.
Artikel XVI
Die Verschiedenheit der christlichen Religionen darf in den Ländern des deutschen Bundes keinen Unterschied in der Wahrnehmung der bürgerlichen und politischen Rechte begründen. Die Bundesversammlung wird darüber beraten, wie auf eine möglichst übereinstimmende Weise die bürgerliche Verbesserung der Bekenner des jüdischen Glaubens in Deutschland zu bewirken sei.
Artikel XVIII
Vertraglich fixiert wird der Erwerb und Besitz von Eigentum an Grund und Boden für das gesamte Gebiet des Deutschen Bundes, so wie die freie Wahl des Wohnortes. Die Bundesversammlung wird sich bei ihrer ersten Zusammenkunft mit Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Pressefreiheit und die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck beschäftigen.
Artikel XIX
Die Bundesstaaten behalten sich vor, bei der ersten Zusammenkunft der Bundesversammlung in Frankfurt wegen des Handels und Verkehrs zwischen den einzelnen Bundesstaaten sowie der Schifffahrt, nach den Grundsätzen und Beschlüssen des Wiener Kongresses, in Beratung zu treten.
Artikel XX
Der gegenwärtige Vertrag wird von allen beteiligten Staaten ratifiziert. Die Ratifikationsurkunden sollen innerhalb von sechs Wochen oder wenn möglich noch früher nach Wien an die Kaiserlich Österreichische Hof- und Staatskanzlei eingesand werden und bei der Eröffnung des Bundes in das Archiv desselben niedergelegt werden.
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