Kapitel 2 - Eduard Graf von Pückler: Unterschied zwischen den Versionen
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Als mit achtzehn Jahren sein älterer Bruder als Breslauer Kürassier in den Krieg 1870 zieht, muß unser Eduard zu Hause bleiben und darf sein Leben für sein heißgeliebtes Vaterland nicht einsetzen. Er nimmt natürlich regsten Anteil an allen Kriegsereignissen und berichtet in einem Brief vom 23. September, was sein Bruder von der Schlacht bei Sedan erzählt, und fährt dann fort: „Nun habe ich aber noch eine sehr traurige Nachricht empfangen, nämlich die schwere Verwundung von Eberhard von Rothkirch am Knie. Wahrscheinlich wird ihm das Bein abgenommen werden müssen. Es ist zu furchtbar, zu schrecklich, ich kann kaum daran denken und davon schreiben, und wenn er auch wirklich am Leben bleibt, was soll er anfangen, was aus ihm werden! Auch ist mir der Gedanke so gräßlich, ihn nicht einmal trösten, ihm kein Lebenszeichen geben zu können. Gerade ihn trifft es so furchtbar hart, da er so gar nicht sich geistig beschäftigen mag und ihm leibliche Übungen über alles gehen." <br> | Als mit achtzehn Jahren sein älterer Bruder als Breslauer Kürassier in den Krieg 1870 zieht, muß unser Eduard zu Hause bleiben und darf sein Leben für sein heißgeliebtes Vaterland nicht einsetzen. Er nimmt natürlich regsten Anteil an allen Kriegsereignissen und berichtet in einem Brief vom 23. September, was sein Bruder von der Schlacht bei Sedan erzählt, und fährt dann fort: „Nun habe ich aber noch eine sehr traurige Nachricht empfangen, nämlich die schwere Verwundung von Eberhard von Rothkirch am Knie. Wahrscheinlich wird ihm das Bein abgenommen werden müssen. Es ist zu furchtbar, zu schrecklich, ich kann kaum daran denken und davon schreiben, und wenn er auch wirklich am Leben bleibt, was soll er anfangen, was aus ihm werden! Auch ist mir der Gedanke so gräßlich, ihn nicht einmal trösten, ihm kein Lebenszeichen geben zu können. Gerade ihn trifft es so furchtbar hart, da er so gar nicht sich geistig beschäftigen mag und ihm leibliche Übungen über alles gehen." <br> | ||
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− | Dann teilt er in einem Brief vom 10. November mit, wie er seinen Freund Eberhard von Rothkirch auf dem Bahnhof in Liegnitz vorgefunden hat: „Gestern habe ich einen tiefwehmütigen und ergreifenden Anblick gehabt, den ich wohl mein Leben lang nicht vergessen werde . Als ich hinzutrat, bin ich wirklich beinahe zurückgefahren. Abgemagert zum Skelett, mit ganz veränderten Zügen und völlig teilnahmslos lag er da. Erst als ich mehr an ihn herangetreten war und mich über ihn beugte, erkannte er mich und sagte mit erzwungenem Lächeln, aber in seiner alten Weise: „Nun ja, ihr wundert euch wohl, alten Kerls. Man hat mir mein Bein abgeschnitten." <br> | + | Dann teilt er in einem Brief vom 10. November mit, wie er seinen Freund Eberhard von Rothkirch auf dem Bahnhof in Liegnitz vorgefunden hat: „Gestern habe ich einen tiefwehmütigen und ergreifenden Anblick gehabt, den ich wohl mein Leben lang nicht vergessen werde. Als ich hinzutrat, bin ich wirklich beinahe zurückgefahren. Abgemagert zum Skelett, mit ganz veränderten Zügen und völlig teilnahmslos lag er da. Erst als ich mehr an ihn herangetreten war und mich über ihn beugte, erkannte er mich und sagte mit erzwungenem Lächeln, aber in seiner alten Weise: „Nun ja, ihr wundert euch wohl, alten Kerls. Man hat mir mein Bein abgeschnitten." <br> |
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Ein schöner Zug aus dem Schülerleben des jungen Grafen Eduard darf nicht unerwähnt bleiben, spricht doch daraus sein starkes Gerechtigkeitsgefühl, wie es ihn nie verlassen hat: Sein Akademiedirektor hatte einen Schüler wegen unritterlichen Betragens gezüchtigt, worüber sich dessen Vater empörte und auf den Abschied des Direktors hindrängte. Da bittet der junge Graf seinen Vater, diesem doch sein Vertrauen auszusprechen, weil er sich um die ganze Akademie sehr verdient mache und jeden einzelnen Schüler zu fördern suche. <br> | Ein schöner Zug aus dem Schülerleben des jungen Grafen Eduard darf nicht unerwähnt bleiben, spricht doch daraus sein starkes Gerechtigkeitsgefühl, wie es ihn nie verlassen hat: Sein Akademiedirektor hatte einen Schüler wegen unritterlichen Betragens gezüchtigt, worüber sich dessen Vater empörte und auf den Abschied des Direktors hindrängte. Da bittet der junge Graf seinen Vater, diesem doch sein Vertrauen auszusprechen, weil er sich um die ganze Akademie sehr verdient mache und jeden einzelnen Schüler zu fördern suche. <br> | ||
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'''[[Kapitel 6 - Das St.-Michaels-Werk im äußeren Wachstum]]''' <br> | '''[[Kapitel 6 - Das St.-Michaels-Werk im äußeren Wachstum]]''' <br> | ||
'''[[Kapitel 7 - Graf Pückler in seiner Bedeutung für das Reich Gottes]]''' <br> | '''[[Kapitel 7 - Graf Pückler in seiner Bedeutung für das Reich Gottes]]''' <br> | ||
− | '''[[Kapitel 8 - Die Gemeinschaften und Sonderarbeiten]]' | + | '''[[Kapitel 8 - Die Gemeinschaften und Sonderarbeiten]]''' <br> |
'''[[Kapitel 9 - Die religiöse Lage in Berlin um 1955]]''' <br> | '''[[Kapitel 9 - Die religiöse Lage in Berlin um 1955]]''' <br> | ||
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Aktuelle Version vom 25. Juni 2019, 10:12 Uhr
GESCHICHTE DER CHRISTLICHEN GEMEINSCHAFTEN ST. MICHAEL
Autor: Max Diedrich (1958)
Am 13. September 1853 wurde Eduard, genannt Edy, als zweiter Sohn des Grafen Erdmann von Pückler in Rogau in Schlesien geboren. Schon im Dreißigjährigen Kriege hatte in Rogau ein Schloß gestanden. In der Dorfkirche war das Lützow'sche Freikorps eingesegnet worden. Diese Erinnerung an eine stolze, deutsche Vergangenheit bestimmte bis ins hohe Alter sein ganzes Leben, zumal er als zehnjähriger Knabe die Feier der fünfzigjährigen Wiederkehr dieses herrlichen Tages erlebte, an dem sein Vater alle noch lebenden Kriegsteilnehmer zu einem Festessen um sich vereinigte. Der Wassergraben um das Schloß und der Garten bildeten einen beliebten Tummelplatz der Kinder. Hier wurden die Düppeler Schanzen erstürmt, hier wurden die heißen Schlachten geschlagen. Ernst und einfach konnte der Vater seine Kinder — drei Knaben und vier Mädchen — erziehen, hatte er doch infolge Preußens großer Not seine sämtlichen Güter verloren. Seine erste größere Reise machte Eduard als fast zehnjähriger Knabe mit seinem Vater und ältesten Bruder an die Ostsee nach Heringsdorf.
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